Wahl im Schatten des Attentats Klarer Sieg für Japans Regierung
Zwei Tage nach dem tödlichen Attentat auf den ehemaligen Ministerpräsidenten Abe hat die Regierungskoalition in Japan einen klaren Sieg bei der Oberhauswahl davongetragen. Abes Partei LDP galt zuvor schon als Favorit.
In der Zentrale der Regierungspartei LDP sind die Ergebnisse gerade bekannt geworden: Die Liberaldemokratische Partei und ihr Koalitionspartner haben eine deutliche Mehrheit der Stimmen erhalten. Premierminister Fumio Kishida und seine Parteikollegen nehmen auf dem Podium Platz und legen erst einmal eine Schweigeminute ein: Für ihren Parteifreund, den ehemaligen Regierungschef Shinzo Abe, der am Freitag bei einem Attentat ermordet wurde.
Abe galt bis zuletzt als sehr einflussreich in seiner Partei. Die Wahlen in Japan wurden von seinem gewaltsamen Tod überschattet: "Für mich ging es bei der Wahl um die Stärkung der Wirtschaft und um Sicherheit", sagt ein Geschäftsmann aus Tokio gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Thema Sicherheit spielte vor Anschlag kaum eine Rolle
Vor dem Anschlag spielte das Thema Sicherheit kaum eine Rolle in Japan. Das Land hat mit die schärfsten Waffengesetze der Welt und gilt als eines der sichersten Länder. Abe aber wurde mitten am Tag bei einer Wahlkampfrede erschossen, der Täter hatte bis auf drei Meter an den berühmten Politiker herankommen können. Mit einer selbst gebauten Waffe hatte er zwei Schüsse abgefeuert. Wenige Stunden später wurde Abe für tot erklärt.
Fast neun Jahre lang war er als Premierminister im Amt - so lange wie niemand vor ihm. Ein wichtiges politisches Lebensziel hatte er allerdings noch nicht erreicht: eine Verfassungsänderung. Konkret ging es ihm um die Abschaffung des so genannten Friedensparagraphen, der es Japan verbietet, sich an Kriegen zu beteiligen.
Die Regierungskoalition hat nach den Wahlen eine Zwei-Drittel-Mehrheit und will nun einen Vorschlag ausarbeiten, diesen Paragraphen zu ändern. Für viele Menschen im Land löst dieses Vorhaben allerdings nicht das wichtigste Problem: Abe hatte neoliberale Wirtschaftsreformen eingeführt. Die Kluft zwischen arm und reich sei dadurch sehr viel größer geworden, sagt ein Wähler in Tokio: "Wir müssen verstärkt darüber nachdenken, wie wir unsere Wirtschaft verbessern können. Hier und da ein paar Hilfsgelder, das wird nicht ausreichen. Ich denke, wir sollten die Zahl der regierenden Politiker reduzieren, damit stünde wieder mehr Geld zur Verfügung."
Trauer um den getöteten Abe.
Auch in Japan steigen die Preise
Die Corona-Pandemie hatte Japan noch gut überstanden, doch seit Russland die Ukraine angegriffen hat, steigen auch hier die Preise. Die Menschen klagen und der Yen rutscht immer weiter ab.
Die starke Regierungskoalition hat einige Probleme zu lösen. Was die Sicherheitslage angeht, sind es vor allem die wachsende Macht von China und die Atom- und Raketenprogramme von Nordkorea. Gesellschaftlich wird es weiter darum gehen, wie die Überalterung sowie der Mangel an Arbeitskräften aufgefangen werden kann. Die nächsten beiden Tage allerdings werden in Japan noch ganz im Zeichen von Abe stehen.
Heute findet eine Trauerfeier statt, morgen soll die Beerdigung im kleinen Kreis abgehalten werden. US-Außenminister Blinken ist zu einem Kondolenzbesuch nach Japan gereist. Auch Annalena Baerbock ist seit gestern im Land. Sie führt Gespräche in Tokio, dabei steht die Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland im Hinblick auf die Politik im Indopazifik im Mittelpunkt.