Wahlen in Malaysia "Seid wütend!"
Nach den letzten Wahlen in Malaysia gab es Hoffnung auf mehr Pluralität, eine reifere Demokratie. Doch diesmal scheint die Frage nur zu sein, wie dominant die alten Machteliten wieder werden.
Sechs Jahrzehnte hatte die Partei von Premierminister Ismail Sabri Yaakob Malaysia durchregiert. Als sie vor vier Jahren überraschend die Wahlen verlor, begann nicht der von vielen erhoffte demokratische Aufbruch, sondern Jahre des politischen Durcheinanders.
Mit den Wahlen heute will die United Malays National Organisation, kurz UMNO, endlich wieder zum Status quo ante zurückkehren und klare Machtverhältnisse schaffen. Ismail Sabri hatte das Parlament im Oktober vorzeitig aufgelöst. Die Neuwahlen sollten schnell stattfinden - noch vor dem jährlichen Monsun, der oft sintflutartigen Regen mit sich bringt.
Drei Premiers seit letzten Wahlen
Seit dem Jahr 2018 haben drei Premierminister das Land geführt. Sehr ungewöhnlich in Malaysia, wo bis dahin seit der Unabhängigkeit des Landes mit UMNO stets nur eine Partei an der Macht war.
Doch die stürzte bei der Wahl vor vier Jahren über einen gigantischen Korruptionsskandal um den damaligen Premier Najib Razak. Nach der Niederlage wurden er mit seiner Frau angeklagt - und zwei Jahre später wegen der Veruntreuung von Milliarden US-Dollar aus einem Staatsfonds zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.
Fast 30 Parteien
Fast 30 Parteien stellen sich zur Wahl. In dem multiethnischen Land versuchen etliche von ihnen, bestimmte ethnische Gruppen anzusprechen.
UMNO betreibt eine Politik für die größte Bevölkerungsgruppe, institutionalisierte Vorrechte der Malaien vor anderen Ethnien. Doch selbst dieser loyalen Wählerschaft ging die Korruption in der Parteiführung zu weit.
Davon profitierte bei den letzten Wahlen eine multiethnische Koalition, die Pakatan Harapan - oder: Allianz der Hoffnung. Doch die zerbrach nach nicht langer Zeit an internen Rivalitäten und Überläufen, angetrieben von UMNO, die erfolgreich Ängste vor dem Verlust von Vorrechten bei Malaien schürte. So kam UMNO schließlich zurück an die Macht - aber nur mithilfe einer wackeligen und zerstrittenen Koalition.
Es sieht gut aus für UMNO
Ismail Sabri ist seit etwas mehr als einem Jahr Premierminister und hat laut Umfragen gute Chancen, zu gewinnen. Kritiker befürchten unter anderem, dass sein Sieg die Rückkehr korrupter UMNO-Seilschaften bedeuten würde. Die als reformorientiert geltende Allianz der Hoffnung wird von Oppositionsveteran Anwar Ibrahim angeführt. Sie hat ihre Basis bei der gebildeten urbanen Mittelschicht.
Sein Vorgänger Muhyiddin Yassin kämpft ebenfalls um das Amt des Premierministers, allerdings als Kandidat der Bündnispartei Perikatan Nasional, die besonders bei Wählern auf dem Land beliebt ist.
Der älteste Kandidat für das Amt des Premierministers ist Mahathir bin Mohamad. Er ist 97 Jahre alt und hatte das Land für UMNO insgesamt bereits 24 Jahre lang regiert. Doch jetzt tritt er mit einer neu gegründeten Partei an - die allerdings wenig Aussicht auf Erfolg hat.
Es geht um die Wirtschaft
Die politische Instabilität, auch während der Covid-Pandemie, und steigender Inflationsdruck haben zu großen Frustrationen in der Gesellschaft geführt. So sind die wirtschaftliche Entwicklung und steigende Lebenshaltungskosten für viele Malaysier die wichtigsten Themen vor der Wahl - aber auch der Verdruss über das politische Manövern der letzten Jahre.
Zamri Haron ist Vieh- und Futtermittelhändler. Im vergangenen Jahr hat er aufgrund schwerer Regenfälle seine Ausrüstung und seine Vorräte verloren. Um seine Arbeiter zu bezahlen und sein Geschäft weiterführen zu können, musste er sich Geld leihen. Staatliche Hilfe bekam er nicht.
Seine Stimme will Zamri heute dem Kandidaten geben, der ihm dabei hilft, mit der aktuellen Wirtschaftssituation fertig zu werden, erzählt er Reuters. "Als Händler sehen wir nicht, dass die Regierung uns hilft. Wir erwarten von dem Kandidaten, der diese Region führen wird, dass er ehrlich ist und den Menschen hilft."
Mehr junge Wähler als je zuvor
Beim Urnengang heute stehen die jungen Wählerinnen und Wähler im Fokus. Seit einer Wahlrechtsreform im Jahr 2019 beträgt das Wahlalter in Malaysia 18 statt 21 Jahre. Damit stellt die Generation der 18- bis 29-Jährigen das erste Mal die größte Wählergruppe, nie gab es prozentual mehr Erstwähler.
Hajar Wahab ist Anfang zwanzig und klärt Erstwähler über ihre Wahlmöglichkeiten auf, motiviert sie, ihre Stimme abzugeben. Das sei nötig, da viele aufgrund der politischen Instabilität des Landes erschöpft seien, sagt die Studentin der islamischen Universität in Kuala Lumpur. Doch gerade das sollte die Jungen zum Wählen antreiben, erklärt Hajar der Nachrichtenagentur Reuters: Wütend sollten sie sein!