Nach Corona-Pause Christen feiern wieder in Bethlehem
Nachdem in den vergangenen zwei Jahren noch Corona-Beschränkungen galten, feiern nun wieder Zehntausende Christen aus aller Welt das Weihnachtsfest in Bethlehem. Patriarch Pizzaballa warnte vor einer Zunahme der Gewalt im Nahen Osten.
In Bethlehem haben knapp drei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie erstmals wieder Tausende Pilger aus aller Welt das Weihnachtsfest gefeiert. In der Stadt im von Israel besetzten Westjordanland, wo nach christlichem Glauben Jesus Christus geboren wurde, beteten an Heiligabend Christen in der Geburtskirche, während Polizisten auf dem Krippenplatz vor der Geburtskirche Sperren aufbauten und Touristen nach Motiven für Selfies suchten.
Im von Christen wie Muslimen bewohnten Bethlehem herrschte festliche Stimmung. Ein riesiger Weihnachtsbaum und bunte Luftballons schmückten die Straßen, Pfadfindergruppen marschierten unter den Augen zahlreicher Zuschauer Dudelsack spielend durch die Straßen.
Weihnachtsprozession erreicht Bethlehem
Die traditionelle Weihnachtsprozession kam am Nachmittag in Bethlehem an. Im Autokonvoi fuhr der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa, von der Jerusalemer Altstadt aus über den israelischen Checkpoint in die knapp zehn Kilometer entfernte Stadt. Den letzten Teil des Wegs bis zum Krippenplatz legte der Patriarch zu Fuß zurück.
Zahlreiche Gläubige begrüßten den Patriarchen, der mit mehr als einer Stunde Verspätung auf dem Krippenplatz eintraf. Dort wurde er von Bethlehems Bürgermeister Hanna Hanania Salman sowie weiteren Politik- und Kirchenvertretern empfangen. Gemeinsam zogen sie zur Feier der Vesper in die katholische Katharinenkirche neben der Geburtsbasilika, die unter Kaiser Konstantin über der traditionell als Geburtsort Christi angesehenen Grotte errichtet wurde.
Hunderte Menschen versammelten sich schon am frühen Nachmittag am Krippenplatz. Ein riesiger Christbaum mit einem Stern an der Spitze schmückte den Platz vor der Geburtskirche.
Sorge über Politik in Israel
Um Mitternacht feierte Pizzaballa in der Katharinenkirche neben der Geburtsbasilika die zentrale Christmette. In seiner Predigt beklagte er einen Anstieg der Gewalt im Heiligen Land. "Wir sehen mit unseren Augen, dass Gewalt unsere Hauptsprache geworden zu sein scheint, unser hauptsächlicher Weg der Kommunikation", sagte der italienische Franziskaner. Die Gewalt nehme zu, insbesondere in der politischen Sprache, aber auch in Medien, sozialen Beziehungen, Schulen und Familien.
Pizzaballa wiederholte seine Sorge über die gegenwärtige Politik in Israel, die die Gefahr berge, "das bereits fragile Gleichgewicht zwischen den verschiedenen religiösen und ethnischen Gemeinschaften zu brechen, die unsere Gesellschaft ausmachen". Zudem habe 2022 einen "fürchterlichen Anstieg der Gewalt in palästinensischen Straßen mit einer Todesrate, die uns Jahrzehnte zurückwirft", gesehen, so der Patriarch. Dies sei ein Zeichen wachsender politischer Spannungen und Unruhe insbesondere unter jungen Menschen über eine immer weiter in die Ferne rückende Lösung des anhaltenden israelisch-palästinensischen Konflikts.
Gleichzeitig scheine die palästinensische Frage nicht länger im Fokus der Welt zu stehen. "Dies ist ebenfalls eine Form von Gewalt, die das Gewissen von Millionen von Palästinensern verletzt", die zunehmend alleingelassen würden, so Pizzaballa. Das Oberhaupt der lateinischen Katholiken im Heiligen Land beklagte einen Vertrauensverlust, der Gewalt zur einzigen Sprache mache.
"Frieden kommt nicht von selbst"
Als gläubige Christen Weihnachten zu feiern, bedeute auch, eine Gelegenheit für Gnade, Mitgefühl und Vergebung zu schaffen, zu fördern und selbst zu sein, sagte Pizzaballa. "Frieden, den wir alle begehren, kommt nicht von selbst. Er wartet auf Männer und Frauen, die Gottes Wort in konkrete Handlungen zu übersetzen wissen." Der Glaube an Gott müsse das Vertrauen in die Menschheit erhalten und zu Gesten freier und echter Liebe führen.
Hotels wieder gut gefüllt
Neben Christen aus allen Teilen der Palästinensischen Gebiete und Israels wird auch der palästinensische Präsident Mahmud Abbas zu der Feier erwartet. Pizzaballa wird während der Christmette in einem traditionellen Ritus eine Figur des Jesuskindes auf jene Stelle legen, an der die Geburt Christi verehrt wird.
In den vergangenen beiden Jahren hielten harte Corona-Auflagen und Einreisesperren ausländische Gäste aus Bethlehem fern. In diesem Jahr sind die Besucher wieder da und die Hotels gut gefüllt. Geschäftsleute berichteten von regen Einkäufen in der Adventszeit. "Dieses Jahr feiern wir Weihnachten ganz anders als im vergangenen Jahr", sagte die palästinensische Tourismusministerin Rula Maajah. "Wir feiern Weihnachten mit Pilgern, die aus der ganzen Welt kommen." Das israelische Tourismusministerium hat sich auf rund 120.000 Pilger aus aller Welt eingestellt.