Indien Trauer und Entsetzen nach Zugkatastrophe
Mindestens 288 Tote und mehr als 900 Verletzte: Die vorläufige Bilanz nach dem schwersten Zugunglück in Indien seit Jahrzehnten ist verheerend. Auch am Tag nach der Katastrophe ist unklar, was genau geschah.
Kreuz und quer liegen die kollidierten, umgekippten Waggons auf den Gleisen. Meterhoch türmen sich die Trümmer. Abteile sind aufgerissen, Fenster zersplittert. Rettungskräfte versuchen, ins Innere zu gelangen und Opfer zu bergen. Mehr als 1000 Menschen sind im Einsatz. Schaulustige filmen die dramatische Szene mit dem Handy.
Ein Augenzeuge berichtete kurz nach dem Unglück, wie plötzlich Chaos losbrach, als der Zug entgleiste. "Ich war gerade eingeschlafen, als der Zug umkippte. Ich bemerkte, dass zehn bis 15 Fahrgäste in meinem Waggon auf meinen Körper gestürzt waren. Ich war ganz unten. Mein Arm war verletzt. Als ich aus dem Waggon herauskam, sah ich, dass einigen Leuten die Hände fehlten. Einige Beine und Köpfe waren verletzt."
Auch einem anderen Augenzeugen aus dem indischen Bundesstaat Bihar steht der Schock am Morgen noch ins Gesicht geschrieben. Er sei im Zug unterwegs gewesen, um seine Kinder zum Studium nach Kerala zu bringen. "Der Zug flog aus dem Gleis und überschlug sich. Wir mussten die Menschen aus den Fenstern ziehen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Hilfe."
Kommission soll Hergang des Unfalls untersuchen
Die Verletzten wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht. Notaufnahmen waren schnell überfüllt. Menschen stellten sich an, um Blut zu spenden. Bei dem Unglück im ostindischen Bundesstaat Odisha war am Abend kurz vor 19 Uhr offenbar ein Fernzug aus Kalkutta entgleist. Ein Schnellzug aus der Gegenrichtung sei Minuten später in die Unfallstelle gefahren, heißt es. Auch ein Güterzug wurde gerammt. Über den genauen Hergang des Unfalls wird noch diskutiert.
Indiens Eisenbahnminister Ashwin Vaishnaw besuchte am Vormittag die Unglücksstelle. Er kündigte an, eine Kommission einzurichten, die die Unfallursache untersuchen soll. "Im Moment liegt der Schwerpunkt auf den Rettungsmaßnahmen. Wir versuchen sicherzustellen, dass diejenigen, die schwere Verletzungen erlitten haben, zur Behandlung in die Krankenhäuser gebracht werden und dass ihre Angehörigen informiert werden", so der Minister. "Darauf liegt unser ganzes Augenmerk."
Rettungskräfte suchen in entgleisten Waggons nach Überlebenden.
Der Leiter der indischen Katastrophenschutzbehörde, Atul Karwal, spricht von einem großen Unglück. Viele Waggons seien mit großer Wucht zerquetscht worden. Daher sei es schwierig, in die Waggons vorzudringen, gerade wenn sich noch lebende Opfer darin befänden. "Damit sie nicht verletzt werden, müssen wir sehr vorsichtig arbeiten. Wir hoffen, dass wir unsere Arbeit noch vor Sonnenuntergang abschließen und das letzte lebende Opfer und die letzte Leiche bergen können", sagt Karwal.
Trauertag im Bundesstaat Odisha ausgerufen
Der Tag heute wurde zum Trauertag in dem ostindischen Bundesstaat ausgerufen. Premierminister Narendra Modi reiste nach Odisha, um mit Verletzten zu sprechen. Schon kurz nach dem Unglück hatte Modi eine Entschädigung für Hinterbliebene und Schwerverletzte versprochen.
Indiens Bahnsystem gilt in weiten Teilen mit seinen alten Zügen und Gleisanlagen als ziemlich marode. Bei dem Zugunglück gestern Abend handelt es sich um das schwerste in Indien seit mehr als 20 Jahren.