Suche nach Schuldigen des Zugunglücks "Sie werden nicht verschont"
Mindestens 288 Tote, viele Hundert Verletzte: In Indien soll nun eine Untersuchungskommission klären, wie es zu dem Unglück kam. Premier Modi drohte den Verantwortlichen.
Sie zerschnitten Stahl mit Trennschleifern, sie setzten Suchhunde ein, versuchten alles, um Opfer noch lebend zu finden. Doch es war anscheinend vergeblich. Seit gestern Abend stießen sie nur noch auf Leichen. Die Rettungsarbeiten sind inzwischen abgeschlossen, auch die Bergung von Toten aus den zertrümmerten Waggons. Jetzt geht es darum, die Trümmerberge von der Strecke zu ziehen.
Anubhav Das hatte Glück. Er konnte sich aus diesen Trümmern selbst befreien. Der Nachrichtenagentur AFP schildert er das Grauen, das er erlebte: "Man sieht kopflose Körper, Körper ohne Gliedmaßen, Söhne, die ihre Väter tragen, Mütter, die nach kleinen Kindern und Babys suchen. Überall um mich herum waren Hilfeschreie zu hören. Der Aufprall war so verheerend und so stark, dass es Körper gab, die über 30, 35 Meter von den Bahngleisen weggeschleudert wurden. Das war der Ort einer extremen Katastrophe. So viele Tote, es war fast wie im Krieg."
Es ist weiter unklar, was genau passiert ist. Relativ sicher ist: Mehrere Waggons eines aus der Millionenstadt Kalkutta kommenden Fernzuges sind aus bislang unbekannten Gründen umgekippt - auf ein Parallelgleis. In diese Unfallstelle sei dann ein Schnellzug aus der Gegenrichtung gerast, wird berichtet. Auch ein Güterzug auf dem Nachbargleis war betroffen. Indische Medien spekulieren über eine Signalstörung und womöglich ein falsches Gleis. Bestätigt wurde noch nichts.
Es wären wohl noch mehr Menschen gestorben, hätten nicht Anwohner die ganze Nacht teils mit bloßen Händen geholfen, Eingeklemmte aus den Trümmern zu befreien. Sie bekamen später Unterstützung von Einheiten des Katastrophenschutzes in dieser ländlichen Gegend des Bundesstaates Odisha.
Am Nachmittag war Premierminister Narendra Modi an der Unfallstelle eingetroffen, um sich ein Bild zu machen. Anschließend besuchte er Überlebende im Krankenhaus und dankte den Helfern: "Denjenigen, die den Menschen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln geholfen haben, danke ich. Ich möchte auch den Bewohnern dieses Ortes meinen herzlichen Dank aussprechen, weil sie in diesen schwierigen Momenten geholfen haben, sei es durch Blutspenden oder Rettungsaktionen."
Der indische Premierminister Modi besucht die Unfallstelle im Bundesstaat Odisha, an der sich das schwere Zugunglück ereignet hat.
Nun müsse genau untersucht werden, wer Schuld an der Katastrophe habe, so Modi. Der Premier kündigte die Einsetzung einer hochrangigen Kommission ein, die den Fall untersuchen soll. Und er drohte den Verantwortlichen: "Wer für schuldig befunden wird, erhält die strengste aller strengen Strafen. Sie werden nicht verschont werden."
Hier - weit weg von der Unfallstelle - in der Region Jammu und an vielen anderen Orten in Indien beten Menschen für die Opfer der Katastrophe, die wohl die schlimmste ihrer Art seit mehr als 20 Jahren ist. Die indische Bahn hat ein riesiges Netz, täglich werden viele Millionen Menschen transportiert. Es gibt Vorzeigestrecken, auf denen moderne Schnellzüge fahren, Leuchtturmprojekte der indischen Regierung. Aber weite Teile des Streckennetzes sind alt und teilweise auch marode.