Zweite Amtszeit für EU-Kommissionschef Das Chamäleon José Manuel Barroso
Das Europaparlament hat EU-Kommissionspräsident Barroso wiedergewählt. Damit kann der Portugiese in seine zweite fünfjährige Amtszeit gehen. In den vergangenen Jahren hatte er sich den zweifelhaften Ruf erworben, ein politisches Chamäleon zu sein.
Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg
José Manuel Barroso hat sich in den vergangenen Wochen schon einiges anhören müssen: Dass er schwach sei, opportunistisch, ein ehrgeiziger Karrierist, dem es nur darum gehe, noch weitere fünf Jahre auf dem Sessel des EU-Kommissionspräsidenten zu sitzen. Die Sozialdemokraten haben das immer wieder gesagt, die Grünen und die Linken im Europäischen Parlament.
Da klingt es fast schon wie ein außergewöhnliches Kompliment, wenn Mitglieder seiner eigenen christdemokratischen Parteienfamilie versichern: Nein, Barroso sei gar nicht so schlimm, er habe doch auch viel politische Erfahrung zu bieten. Darauf zumindest kann man sich einigen.
Abgeklärte Männer und ihre Jugendsünden
Welcher prominente Politiker - außer vielleicht Joschka Fischer - kann schon eine Biographie präsentieren, die bei einer linksextremen Splittergruppe beginnt: "In Portugal, während der Revolution 1974, gab es zwei kommunistische Bewegungen: Die eine war prosowjetisch, die andere maoistisch", erinnert sich Barroso, und er macht das auf eine Weise, wie abgeklärte Männer von frühen Jugendsünden erzählen - ein bisschen stolz, ein wenig verschämt.
Zäher Wille zur Macht
35 Jahre ist das nun her, und sollte Barroso jemals so etwas wie visionäre Begeisterung empfunden haben, dann ist ihm diese auf seinem politischen Weg längst abhanden gekommen. Dieser führte ihn von ganz links zur Rechten Mitte und dann nach ganz oben: "Ich war einer der jüngsten europäischen Außenminister, ich war portugiesischer Ministerpräsident - vielleicht war das ja alles nur Glück?" Eben nicht. Es war kein Glück. Es war Barrosos zäher Wille zur Macht, den ihm auch heute niemand absprechen würde. Genauso wenig wie sein Sprachtalent, sein diplomatisches Geschick, seine Bildung, die er sich an Universitäten in Genf, in New York und Washington aneignen konnte.
Das alles stellt er gerne zur Schau - und empfiehlt sich damit als bescheidener oberster Diener der Europäer. Das sollte er sein. Der Präsident der EU-Kommission hat einerseits die Aufgabe, die Beschlüsse der EU-Mitgliedsstaaten umzusetzen, andererseits soll er aber auch eigene europäische Initiativen und Ideen entwickeln. Das Problem an Barroso ist eben nur, dass sich auch nach fünf Amtsjahren nicht so klar ausmachen lässt, welche Ideen ihn eigentlich inspirieren.
Jedem etwas und alles für jeden
Als er zum ersten Mal antrat, war er marktliberal, wettbewerbsorientiert, ein europäischer Neokonservativer, der auch bereit war, mit Bush in den Irak zu marschieren. Jetzt, beim zweiten Mal, ist Barroso ganz anders: "Wir müssen die soziale Marktwirtschaft wieder beleben, in nachhaltige soziale und ökologische Wachstumsquellen investieren", sagt er vor dem Europäischen Parlament und verspricht jedem etwas und alles für jeden.
"Vielleicht war das ja alles nur Glück?", kokettiert Barroso, wenn er über seine Karriere spricht.
Diese Wandlungsfähigkeit in Zeiten der Weltkrise hat Barroso den zweifelhaften Ruf eingebracht, ein Chamäleon zu sein, das die Farbe immer dem Hintergrund anpasst, auf dem es sich gerade bewegt. Aber womöglich muss man so sein, um im politischen Geflecht der EU seinen Platz zu behaupten.