EU urteilt über Beitrittskandidaten Kein makelloses Zeugnis für die Türkei
Der Umgang mit den Protesten rund um den Gezi-Park hat Spuren im Zeugnis für die Türkei hinterlassen. Im Fortschrittsbericht für den EU-Beitritt sind deshalb "ernste Bedenken" vermerkt, so Erweiterungskommissar Füle. In vielen anderen Bereichen habe es aber Fortschritte gegeben.
Einmal im Jahr verteilt die Europäische Union an ihre Beitrittskandidaten eine Art Reifezeugnis. Für die Türkei ist es die erste Beurteilung seit den Protesten rund um den Gezi-Park in Istanbul. Die finden in dem Fortschrittsbericht der EU auch durchaus Erwähnung. Die Proteste im Mai und Juni, die übertriebene Härte der Polizei und das Nicht-Stattfinden eines Dialogs hätten ernste Bedenken ausgelöst, erklärte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. Und so enthält das Zeugnis, das die EU der Türkei ausstellt, keineswegs durchweg gute Bewertungen.
Letztlich kommt die EU aber doch zu dem Schluss: Die Beitrittsverhandlungen mit dem Land am Bosporus müssten wieder Fahrt aufnehmen. Dies sei schließlich der beste Weg, um Verbesserungen im Sinne der EU voranzutreiben. "Die EU muss ihr Engagement verstärken", ist Füle überzeugt. Und um diesen Schluss zu untermauern, hebt der Bericht durchaus auch positive Entwicklungen hervor: "Es gibt Fortschritte bei den Reformen der Justiz. Und die Regierung hat einen historischen Friedensprozess gestartet, der Terror und Gewalt im Südosten des Landes beenden soll und zu einer Lösung der Kurden-Frage führen soll."
Deutschland steht auf der Bremse
Die Reformen in Sachen Demokratie von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sehen unter anderem vor: eine Lockerung des Kopftuchverbots sowie mehr Rechte für Minderheiten - auch für die Kurden.
2013 entpuppte sich bislang als ein besonders schwieriges Jahr in den ohnehin holprigen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Insbesondere Deutschland bremste immer wieder. So waren auch auf Druck der Bundesregierung die eigentlich für Juni vorgesehenen Gespräche - auch wegen der Niederschlagung der Proteste - verschoben worden. Brüssel empfiehlt jetzt, genau diesen Gesprächsfaden zügig weiterzuspinnen.
"Historisches Jahr" für Serbien
Die Türkei aber ist nicht der einzige Beitrittskandidat: Auch Island, Montenegro, Mazedonien und nicht zuletzt Serbien wollen Mitglieder der EU werden. Für Serbien sei es ein "historisches Jahr" gewesen, so Füle. "Die Entscheidung der EU, Beitrittsverhandlungen zu starten, hat eine neue Phase in unseren Beziehungen eingeleitet. Spätestens im Januar erwarten wir die erste Konferenz, die sich mit dem Beitritt Serbiens befassen wird."
Noch eine Stufe unter Serbien und Co. befinden sich Albanien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo. Sie sind "mögliche Beitrittskandidaten". Was Albanien angeht, so schlägt der Erweiterungskommissar vor, das Land hochzustufen. Zu einem "echten" Beitrittskandidaten.