Hunderttausende protestieren in Brasilien Der Auslöser sind zehn Cent
Brasilien steht wegen eines Fußballturniers im Blickfeld der Öffentlichkeit. Die Menschen nutzen diese Aufmerksamkeit, um gegen Korruption und Geldverschwendung zu protestieren. Auslöser der Massenproteste: eine Preiserhöhung von zehn Cent.
Der Confederations-Cup sollte ein Fußballfest werden, stattdessen blickt Brasiliens Regierung auf die schwersten Ausschreitungen, die das Land in den vergangenen 20 Jahren erlebt hat. Wie ein Flächenbrand breiteten sich die Demonstrationen und Kundgebungen in ganz Brasilien aus. Alle größeren Städte des Landes sind betroffen.
"Millionenbeträge werden verschwendet"
Allein in Rio gingen nach Angaben der Behörden 100.000 junge Menschen auf die Straßen. Zunächst friedlich machten sie ihrem Ärger Luft. Brasilien sei nicht nur Fußball, und es seien auch nicht alle in Partystimmung, riefen sie immer wieder. Neily ist eine von ihnen: "Wir sind gegen die Kosten, die die WM verursacht. Millionenbeträge werden verschwendet und unser Erziehungs- und Gesundheitssystem ist pleite. Ebenso die Sozialversicherung." An den Stadien stünden viele Polizisten, sagt Neily. "Wo sind die an normalen Tagen? Die Gewalt ist sehr schlimm. In vier Monaten ist mir mein Auto zwei Mal gestohlen worden. Wo war da die Polizei? Und hier für den Confed-Cup wird alles mobilisiert. Dafür ist Geld da. Aber für das Bildungs- und Gesundheitssystem ist kein Geld da."
Fahrpreis wurde um zehn Cent angehoben
Der Auslöser für die Proteste war eine landesweite Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr um 20 Centavos, nicht einmal zehn Cent. Doch der kleine Betrag, mit dem auch die Ausgaben für die Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele mitfinanziert werden sollen, war wie ein Funke: "Die 20 Centavos sind der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", sagt Demonstrant Alex. "Wir haben Stadien die Millionen gekostet haben, die Politiker stehlen wo sie nur können. Wir haben Korruptionsfälle und niemand muss ins Gefängnis. Das alles hat die Bevölkerung wach gemacht. Die 20 Centavos waren der letzte Tropfen. Wir nehmen diese Erhöhung nicht hin, und wir akzeptieren nicht mehr die Vetternwirtschaft im Kongress."
Tränengas und Gummigeschosse
Im Laufe des Abends eskalierten die zunächst friedlichen Proteste. In Sao Paulo und Rio de Janeiro versuchten vermummte Demonstranten, die Stadtverwaltungen zu besetzen. In der Hauptstadt Brasilia stiegen gewaltbereite Männer und Frauen sogar auf das Dach des Kongresses. Die Polizei reagierte mit Tränengas und Gummigeschossen. Mehrere Personen wurden zum Teil schwer verletzt. In Belo Horizonte versuchten Demonstranten in das Stadion einzudringen, in dem Tahiti und Nigeria spielten. Auch sie wurden zurückgedrängt.
Rousseff fassungslos
Staatspräsidentin Dilma Rousseff und ihre Regierung stehen den Massendemonstrationen und dem Ausbruch der Gewalt fassungslos gegenüber. In ihrem Blog schrieb die Präsidentin lediglich, es sei das Recht der Bürger, friedlich zu demonstrieren. Gleichzeitig wurden die Spezialeinheiten rund um den Präsidentenpalast massiv verstärkt.
Eigentlich wollte Brasilien während des Confed-Cups ein friedliches Fußballfest feiern. Doch immer mehr wird deutlich: Viele Brasilianer sind alles andere als in Partystimmung. "Warum wir das während des Confed-Cups machen?", sagt Demonstrant Alex. "Jetzt blickt doch die Welt auf Brasilien, alle können sehen was hier passiert. Alle im Ausland denken, Brasilien ist nur Karneval, hübsche Mädchen und tolle Natur. Aber in Wahrheit ist hier vieles nicht in Ordnung. Und jetzt ist der Moment um zu zeigen, dass hier vieles im Argen liegt."