Vor Stichwahl in Brasilien Hartes TV-Duell zwischen Bolsonaro und Lula
Vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien haben Amtsinhaber Bolsonaro und Herausforderer Lula in einer TV-Debatte schwere Vorwürfe gegeneinander erhoben. Sie bezichtigten sich gegenseitig der Lüge.
Zwei Wochen vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien haben sich der rechtsextreme Amtsinhaber Jair Bolsonaro und der linksgerichtete Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva in einer Fernsehdebatte einen harten Schlagabtausch geliefert. Während des TV-Duells beim brasilianischen Sender TV Bandeirantes am Sonntagabend legten die Kandidaten den Fokus auf Themen, die als die Achillesferse des jeweils anderen gelten: Lula knöpfte sich Bolsonaros Umgang mit der Corona-Pandemie vor, der Amtsinhaber erinnerte an die Korruptionsskandale rund um die Arbeiterpartei.
Scharfe Kritik am Amtsinhaber
"Ihre Nachlässigkeit führte zum Tod von 680.000 Menschen, von denen mehr als die Hälfte hätte gerettet werden können", sagte Ex-Staatschef Lula und warf Bolsonaro "Versäumnisse" im Umgang mit der Corona-Pandemie vor. Er fügte hinzu: "Keine Regierung auf der Welt hat mit der Pandemie und dem Tod so gespielt wie Sie. Tragen Sie nicht etwas vom Leid der Brasilianer auf den Schultern?" Des Weiteren bezeichnete Lula den 67-jährigen Bolsonaro als den "König der Fake News".
Bolsonaro wiederum hielt Lula vor, während dessen zwei Amtszeiten als Staatschef zwischen 2003 und 2010 habe die Korruption im Land grassiert und seine Bilanz als Präsident sei "schmachvoll": Lula habe "nichts für Brasilien getan, außer öffentliche Gelder in Ihre und die Taschen Ihrer Freunde zu stecken", sagte er. Er sei eine "nationale Schande". Lula saß wegen Korruption und Geldwäsche 19 Monate hinter Gittern. Das Urteil wurde später vom Obersten Gerichtshof Brasiliens widerrufen.
Wahlkampf gleicht einer Schlammschlacht
Beide Kandidaten bezichtigten sich zudem gegenseitig der Lüge und Falschinformationen. Der ohnehin schon zuvor von Schmutzkampagnen und aggressiven verbalen Auseinandersetzungen geprägte Wahlkampf in Brasilien gleicht seit der ersten Wahlrunde zunehmend einer Schlammschlacht. Vor allem Lulas Lager griff in jüngster Zeit auf Strategien zurück, die bislang vor allem die extreme Rechte verfolgt hatte: Das linke Lager grub alte Videos von Bolsonaro-Auftritten aus und zog daraus einzelne Zitate heraus, die Bolsonaro beispielsweise in Verbindung zu Freimaurertum und Kannibalismus bringen sollen.
In einem jüngsten Angriff wurde Bolsonaro in Zusammenhang mit Pädophilie gebracht. Lulas Wahlkampflager bezeichnete den Präsidenten am Samstag als "verkommenen Kriminellen" und zeigte sich "angewidert" über Äußerungen des Staatschefs in einem Interview mit einem YouTube-Kanal am Freitag: Bolsonaro sprach dort über eine Fahrt mit dem Motorrad durch ein Armenviertel von Brasilia, bei dem ihm eine Gruppe minderjähriger Mädchen aus Venezuela aufgefallen waren - der Staatschef suggerierte, es habe eine sexuelle Chemie in der Luft ("pintou um clima") gelegen. Er habe darum gebeten, das Haus der Mädchen zu besuchen. Bolsonaro unterstellte, die jungen Frauen hätten sich prostituiert. Medienberichten zufolge handelte es sich dagegen um Teilnehmerinnen eines Sozialprojektes, das sie als Haarstylistinnen schulte.
Fragwürdige Methoden
Bei seiner Ankunft zur Fernsehdebatte in São Paulo sagte Bolsonaro, die vergangenen 24 Stunden seien wegen dieser Angriffe "die schlimmsten meines Lebens" gewesen. Lula erwähnte das Thema in der Debatte nicht, trug aber den Anstecker einer Kampagne gegen Kindesmissbrauch am Revers.
In der ersten Wahlrunde am 2. Oktober lag Lula mit rund 48 Prozent der Stimmen vor Bolsonaro, der auf etwa 43 Prozent kam. Damit fällt die finale Entscheidung am 30. Oktober in einer Stichwahl, da keiner der stärksten Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Umfragen sehen Lula weiter als Favoriten, doch ist sein Vorsprung erheblich geschmolzen. Tage vor der Stichwahl sollen er und Bolsonaro in einem weiteren TV-Duell aufeinandertreffen.