Gesetz für EU-Austritt Historische Brexit-Debatte in London
Eigentlich wollte die britische Regierung den Brexit im Alleingang einleiten. Doch das höchste Gericht hat entschieden, dass das Parlament zustimmen muss. Die heutige Debatte über das Gesetz zum EU-Austritt wird in die Geschichte eingehen.
Die Lichter werden heute Abend lange an bleiben im House of Commons, dem britischen Unterhaus. Denn die historische Debatte über den Beginn des Brexit-Prozesses wird bis Mitternacht dauern, damit möglichst viele Redner zu Wort kommen. Die konservative Regierung drückt aufs Tempo, der Gesetzentwurf wird im „fast track“-Verfahren behandelt, also besonders schnell.
Premierministerin Theresa May ermahnte kurz vor der Debatte die Abgeordneten erneut, sich vom Ausgang des EU-Volksentscheids leiten zu lassen: Letztlich gehe es um eine einfache Entscheidung, so May: "Unterstützen die Abgeordneten den Willen des britischen Volkes oder nicht?" Der Gesetzentwurf besteht aus nur einem kurzen Satz: Demnach überträgt das Parlament der Regierungschefin das Recht, nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages der EU mitzuteilen: "Wir wollen den europäischen Club verlassen."
Widerstand bei Labour
Doch genau das will der Labour-Abgeordnete Owen Smith nicht: Der Brexit werde die Menschen, die er repräsentiere, ärmer machen. Smith will daher gegen das Gesetz stimmen, also gegen den Brexit-Startschuss. Und damit widersetzt er sich seinem Parteichef. Denn Jeremy Corbyn hat Fraktionszwang angeordnet. Labour als größte Oppositionspartei müsse das Votum der Briten respektieren, argumentiert Corbyn - zumal auch die Mehrheit der Labour-Wahlkreise für den Brexit war. Dennoch wird bei der ersten Abstimmung morgen mit mehreren Abweichlern gerechnet.
Angst vor einem harten Brexit
Bei den regierenden Konservativen dagegen sind die Reihen geschlossen. Selbst überzeugte Pro-Europäer wie Nicky Morgan wollen dem Ergebnis des Referendums folgen. Morgan gehört allerdings bei den Tories zu jenen Abgeordneten, die kritisieren, dass Premierministerin May auf einen harten Brexit zusteuert. Dabei würde Großbritannien nicht nur die EU, sondern auch den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen.
Daran stößt sich auch die Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP), Nicola Sturgeon, die zugleich Ministerpräsidentin in Edinburgh ist. Sie forderte die Regierung in London auf, einen substanziellen Kompromiss zu schließen. Da die Schotten sowieso mehrheitlich gegen den Brexit waren, werden die Abgeordneten der SNP im Unterhaus - ebenso wie die Liberaldemokraten - voraussichtlich dagegen votieren, den EU-Austritt formell zu starten.
Gesetz im Eiltempo
Eine erste Abstimmung ist für morgen geplant. Und auch wenn die meisten Abgeordneten vor dem Volksentscheid gegen den Brexit waren, wäre eine Blockade im Parlament eine Riesenüberraschung. Kommende Woche wird der Gesetzentwurf zunächst in den Ausschüssen beraten, bevor danach das gesamte Unterhaus über die von der Opposition eingebrachten Änderungen und Ergänzungen abstimmt. Anschließend wandert der Entwurf ins Oberhaus, bevor die Queen mit ihrer Unterschrift das Gesetz in Kraft setzt.
May zeigt sich zuversichtlich, dass sie wie geplant Ende März den britischen EU-Ausstieg erklären kann.