Brexit-Abstimmung Niemand glaubt an Mays Erfolg
Die Brexit-Abstimmung im Unterhaus kann die britische Premierministerin May kaum gewinnen. Bei einer Niederlage könnte ihr der EU-Austritt sogar völlig entgleiten.
Egal, ob Regierung oder Opposition: Niemand in Westminster glaubt wirklich daran, dass die Premierministerin das Brexit-Abkommen heute durch das Unterhaus bringt.
Nicht einmal Theresa Mays eigener Handelsminister, der eigentlich von Natur aus ein optimistischer Mensch ist: Es sei unwahrscheinlich, dass die Regierung diese Abstimmung gewinne, sagt Liam Fox.
Die Regierung kann die Abstimmung aber nicht noch einmal verschieben, denn schon am 29. März soll das Land die EU verlassen.
"Den Willen des Volkes erfüllen"
Also zieht May in eine Schlacht, die sie nicht gewinnen wird. Mit einem Brief aus Brüssel in der Hand, den sie sich gewünscht hat, der aber aus Sicht ihrer Kritiker nichts weiter als schöne Worte statt substanzieller Zugeständnisse enthält.
Sie hofft, dass irgendwann einmal die Historiker mit ihr gnädiger umgehen als die bockigen Abgeordneten auf allen Seiten des Parlaments: "Wenn die Geschichtsbücher geschrieben werden, werden die Leute auf die Entscheidung dieser Kammer blicken und fragen: Haben wir das Votum des Volkes befolgt, die Europäische Union zu verlassen? Haben wir unsere Wirtschaft, unsere Sicherheit und unsere Union beschützt? Oder haben wir das britische Volk im Stich gelassen?", sagte May. "Ich sage, wir sollten den Willen des Volkes erfüllen und eine bessere Zukunft für unser Land bauen, indem wir diesen Deal unterstützen."
Vor dem Parlament demonstrieren immer wieder sowohl Gegner als auch Befürworter des EU-Austritts.
Corbyn sieht Chance auf Regierungswechsel
Doch bevor die Historiker das Sagen haben, sind die Parlamentarier dran. Von der Opposition kann die Premierministerin keine Hilfe erwarten.
Labour-Chef Jeremy Corbyn sieht in der Abstimmung über das Brexit-Abkommen vor allem die Chance, selber in die Downing Street Nummer 10 einzuziehen: "Diese Regierung ist ein einziges Durcheinander. Wenn der Deal der Premierministerin zurückgewiesen wird, dann ist die Zeit für Neuwahlen und eine neue Regierung gekommen."
Doch Mays eigentliches Problem sitzt nicht auf den Oppositionsbänken. Es ist die eigene Partei, die sie nicht unter Kontrolle hat.
Torys wollen lieber keinen Deal
EU-freundliche Konservative wollen über ein Nein zum Austrittsabkommen ein neues Referendum auslösen. Noch zahlreicher sind aber die Torys, die lieber einen ungeordneten Austritt, einen No-Deal-Brexit, wollen als den mit der EU ausgehandelten Vertrag.
Boris Johnson, der Ex-Außenminister, findet zum Beispiel, Großbritannien sei mit dem Abkommen "auf ewig an die EU-Zollunion und die EU-Regularien gekettet": "Wir müssen ohne Mitspracherecht alles übernehmen, was aus Brüssel kommt. Das ist nicht der Weg nach vorn für dieses Land", sagt er.
May reagiert auf diese Kritik mit der Warnung vor einem No-Deal-Brexit, oder auch vor einem No-Brexit - das seien die einzig verbleibenden Möglichkeiten, wenn das Austrittsabkommen im Unterhaus durchfalle.
Ohne Abkommen bekommen wir keine Überhangsperiode, sondern Unsicherheiten für Unternehmen und Arbeitnehmer und für die Einheit Großbritanniens. Und ohne Austritt untergraben wir unsere Demokratie.
Niederlage absehbar - und dann?
Weil auch die nordirischen Protestanten, die der konservativen Minderheitsregierung normalerweise zur Mehrheit verhelfen, das Abkommen ablehnen, ist die Niederlage der Premierministerin absehbar. Und dann?
Bisher lehnt es May ab, mehr Zeit für die Suche nach einer neuen Lösung zu gewinnen und den Austritt zu verschieben. Das muss aber nicht ihr letztes Wort sein.
Und es kann auch sein, dass sie nach der Niederlage die Kontrolle über den Brexit-Prozess verliert. Dass es auf ihr Wort gar nicht mehr ankommt.