Tusk und Barnier Brüssel warnt vor Dumping und No-Deal-Brexit
"Keine Tarife, keine Quoten, kein Dumping" - so lauten die EU-Anforderungen an ein Freihandelsabkommen mit den Briten. Denn es droht auch nach einem etwaigen Deal weiter der harte Brexit.
Die Brexit-Zeiten, in denen Donald Tusk John Lennon zitierte und sich als Träumer bezeichnete, der immer noch die Hoffnung hegt, dass die Briten in der EU bleiben, sind mehr als zwei Jahre vorbei. Jetzt hofft der EU-Ratspräsident nur noch, dass die Briten bis zum neu fixierten spätesten Austrittstermin am 31. Januar tatsächlich den Brexit-Deal unterschreiben.
Die 27 anderen Regierungen hätten die am Montag von ihren EU-Botschaftern grundsätzlich entschiedene Verlängerung nun formell angenommen, twitterte Tusk gestern. Und fügte als Warnung an London hinzu, diese Verlängerung um bis zu drei Monate könne die letzte sein. "Macht das Beste aus dieser Zeit", forderte der scheidende Ratspräsident.
Tusk machte nie einen Hehl daraus, dass er unter dem EU-Ausstieg der Briten regelrecht leidet. "Jetzt, da meine Zeit in Brüssel endet, will ich Euch die Daumen drücken", verabschiedet sich Tusk per Tweet von dem scheidenden Großbritannien. Und relativiert damit seine Prophezeiung, die EU werde einen Austritt der Briten ohne Deal niemals zulassen.
Geduld der EU ist nicht grenzenlos
Frankreichs Präsident hat bereits diesmal nur zähneknirschend der erneuten Verlängerung des Austrittstermins zugestimmt. Es gibt keine Garantie mehr für die Briten, dass die Geduld der EU in Sachen Brexit grenzenlos ist. Das ist dem scheidenden EU-Ratspräsidenten in den letzten Tagen sehr klar geworden. Immer wieder hat Tusk in den letzten Monaten die britische Regierung aufgefordert, zu skizzieren, wie sie nach dem Brexit die Handelsbeziehungen zur EU konkret vorstellt - nachdem sie den Binnenmarkt und Zollunion verlassen hat.
Denn Premier Boris Johnson ist klar von der Zusicherung seiner Vorgängerin Teresa May abgerückt, nicht nur die bestehenden, sondern auch die zukünftigen EU-Standards einzuhalten. Die EU sei in puncto Standards keineswegs unflexibel, "sondern zeige sich lediglich verantwortlich für ihre Bürger, deren Sozialstandards Umwelt- und Verbraucherrechte", betont Michel Barnier, der zum Chef der neuen Taskforce für die Beziehungen zu Großbritannien ernannt wurde.
Freihandelsvertrag ohne Sozial- und Umweltdumping das EU-Ziel
Es gilt, einen Freihandelsvertrag mit den Briten ohne Sozial-und Umweltdumping auszuhandeln, lautet Michel Barniers Devise für die nächste Verhandlungsrunde. In einem Interview mit acht führenden Tageszeitungen Europas warnt der zukünftige Taskforce-Chef der EU-Kommission vor der Illusion, Großbritannien könne die EU-Standards aushebeln, zum Singapur an der Themse werden und dennoch gleichzeitig zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt bekommen.
Nicht wilde Deregulierung sondern fairer Wettbewerb sei im Interesse des Vereinigten Königreichs, betont Barnier. Er fordert die Briten mit Blick auf ihre zukünftigen Vertragsverhandlungen mit der EU auf, sich klar zu machen, dass bei einem Handelsabkommen nicht allein die Europaparlamentarier zustimmen müssen, sondern auch drei Dutzend nationale und regionale Parlamente.
Harter Brexit droht auch nach Unterzeichnung eines Deals
Welche Macht bei umfassenden Verträgen die EU-Regionen haben, hat die Wallonie bei den CETA-Freihandelsverhandlungen mit Kanada bewiesen, die beinahe am Widerstand des ehemaligen wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette gescheitert wären. Bis heute ist in der EU nur der CETA-Rahmenvertrag ratifiziert, aber noch nicht das gesamte Abkommen.
Ein Beispiel, das den Briten klar machen müsste, dass Freihandelsverhandlungen kein Selbstläufer und kein Erfolgsgarant sind, sondern der harte Brexit dem Vereinigten Königreich auch dann noch droht, wenn der Brexit-Deal vom Unterhaus unterzeichnet ist. Um dem britischen Premier für diese Vertragsunterzeichnung indirekt Schützenhilfe zu leisten, betont Barnier in seinem Zeitungsinterview, dass die prinzipiellen Elemente eines Freihandelsabkommens bis Ende kommenden Jahres ausgehandelt sein können.
"Kein Tarife, keine Quoten, kein Dumping", lauten laut Barnier die Leitlinien. Sollten sich die Briten nicht daran halten, werde die EU darauf angemessen reagieren. Was das konkret bedeutet, sagt Barnier nicht. Wohl aber, dass ein umfassender Handelsvertrag deutlich mehr Zeit braucht. Und dass die Briten angemessen zahlen müssen wenn sie über 2020 hinaus im Binnenmarkt bleiben wollen. Der Brexit-Deal, den die EU mit Johnson ausgehandelt hat, erlaubt eine Übergangsfrist bis Ende übernächsten Jahres.