Debatte über Brexit-Deal Déjà-vu in London
Im Dezember hatte die britische Premierministerin May die Abstimmung über den Brexit-Deal abgesagt - nun startet der zweite Versuch. Schon vor Wiederaufnahme der Debatte musste May eine Niederlage einstecken.
Im Radio erfahren die Briten in diesen Tagen bereits, wie sie sich auf einen chaotischen Austritt ohne Abkommen vorbereiten können. Ein Szenario, das die britische Premierministerin Theresa May immer wieder bemüht. Denn ein "No Deal" droht, sollte die Mehrheit der Abgeordneten gegen das mit der EU mühsam ausgehandelte Brexit-Abkommen stimmen - so die Botschaft.
Doch im Wesentlichen ist alles beim Alten: Am Brexit-Deal und auch an der Gesinnung der Abgeordneten hat sich in den vergangenen vier Wochen nichts geändert. Die Stimmung bleibt angespannt, die Fronten sind verhärtet. Sowohl Mays eigene Partei, die konservativen Tories, als auch die oppositionelle Labour-Partei ist über den Brexit tief gespalten. In britischen Medien ist die Rede von einem Guerilla-Krieg.
Die Situation könnte nicht unübersichtlicher sein, sagt der Politologe vom King’s College in London, Anand Menon. "Die Positionen sind festgefahren", sagt er. "Niemand ist zum Kompromiss bereit, und daran ist auch Theresa May selbst schuld." Deren Haltung zum Brexit habe sich seit dem Referendum im Jahr 2016 radikal verändert. "Aber sie war nicht in der Lage diesen Prozess wirklich zu vermitteln, sie hat die Leute nicht mitgenommen."
Laut einer Umfrage der Queen Mary Universität in London sind 70 Prozent der Abgeordneten der Meinung, dass Theresa May schwach verhandelt hat. 47 Prozent sind der Meinung, dass sie einen sehr schlechten Job macht.
Parlament stimmt für Gesetzeszusatz
Ab heute debattiert das Parlament im Vorfeld der Abstimmung erneut über das Brexit-Abkommen. Die Abgeordneten haben die Möglichkeit, Einwände vorzubringen, Änderungsvorschläge zu machen, die rechtlich nicht bindend sind, Theresa May politisch aber wohl kaum ignorieren kann.
Das Parlament hat gestern bereits einen Vorgeschmack darauf gegeben, was die britische Premierministerin in den nächsten Tagen erwartet. Die Abgeordneten im britischen Unterhaus stimmten mehrheitlich für einen Gesetzeszusatz, der es dem Finanzminister erschwert, im Budget für 2019 zusätzliches Geld für einen "No-Deal-Brexit", einen Austritt ohne Abkommen einzustellen. 303 Parlamentarier stimmten dafür, 296 dagegen. Der Labour-Chef Jeremy Corbyn twitterte: Das Ergebnis zeige, dass es für einen Austritt ohne Abkommen keine Mehrheit im Parlament gebe.
Die Tory-Abgeordnete und Brexit-Befürworterin Theresa Villiers spielte das Ergebnis gegenüber der BBC herunter, tat es als symbolisch ab. Sie räumte zwar ein: "Es ist ein Rückschlag für die Regierung." Das Ergebnis habe aber keinen sonderlichen Einfluss. "Es wird nicht die Möglichkeit verhindern, dass Großbritannien die EU ohne Deal verlässt."
Leicht modifiziertes Abkommen?
Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass Theresa May ihren Brexit-Deal am kommenden Dienstag durch das Parlament bekommt, damit steigt die Gefahr eines Austritts ohne Abkommen. Interessant könnte es werden, wenn sie nach einem ersten Scheitern das Abkommen leicht modifiziert erneut vorlegt. Dafür hätte sie 21 Tage Zeit, erklärt der Politologe Menon. "Wenn die Premierministerin nochmal zurück nach Brüssel geht und versucht, noch einmal Konzessionen von der EU zu bekommen, selbst wenn nur schöne Worte dabei rauskommen. Da es so viele Abgeordnete gibt, die keinen Austritt ohne Abkommen wollen, aber auch kein zweites Referendum - dann ist die einzige Option ihr Deal."
Und genau darauf scheint Theresa May zu setzen. Doch ob diese Rechnung aufgeht, bleibt fraglich: Es könnte auch sein, dass vorher ein Misstrauensvotum von der Opposition gestellt wird, es zu Neuwahlen kommt oder einem zweiten Referendum. Um einen Austritt ohne Abkommen zu verhindern, könnte der Brexit für ein paar Monate erstmal verschoben, der Artikel 50 verlängert werden. Dem müsste die EU zustimmen. Gerüchte kursieren, dass die britische Regierung diese Möglichkeit längst ins Auge fasst, offiziell wird sie jedoch ausgeschlossen. Alles scheint in diesem Moment ungewiss, alles aber auch irgendwie möglich. Theresa May wird nicht müde zu betonen: Es ist absolut klar, wir werden die EU am 29. März verlassen.