Brexit-Entwurf Downing Street verkündet Einigung
Die Unterhändler Großbritanniens und der EU haben sich auf einen Entwurf für das Brexit-Abkommen geeinigt. Das verlautete aus Downing Street. In Brüssel reagiert man zurückhaltend.
Bei den Verhandlungen über ein Brexit-Abkommen ist nach Angaben aus London der Durchbruch geglückt: Die Unterhändler der britischen Regierung und Brüssels hätten sich auf einen Entwurf für das Austrittsabkommen geeinigt.
Vor Bekanntgabe der Einigung hatte Premierministerin Theresa May gesagt, bei den Verhandlungen sei "guter Fortschritt" erzielt worden. Mays De-facto-Stellvertreter David Lidington sagte, eine Brexit-Vereinbarung sei "fast zum Greifen nah".
Morgen Nachmittag werde das Kabinett in London zusammenkommen, um den Text zu billigen, teilte das Büro Mays mit. Schon für heute lud sie ihre Minister zu Einzelgesprächen in den Regierungssitz ein.
"Guter Fortschritt" - Theresa May gibt sich optimistisch.
Was sagt das Parlament, was die EU?
Die eigentliche Hürde für ein Abkommen dürfte aber im Parlament liegen. Abgeordnete der nordirischen DUP und aus Mays Konservativer Partei drohten damit, den Deal durchfallen zu lassen, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Ein DUP-Vertreter sagte dem nordirischen TV-Sender UTV, man werde das Dokument nun zunächst in Ruhe auswerten.
In Brüssel wollte niemand die Einigung bestätigen. Die Verhandlungen seien nicht abgeschlossen, sagte ein Sprecher des irischen Außenministers Simon Coveney. Für morgen wurde aber eine Sondersitzung der Botschafter der 27 verbleibenden EU-Länder angesetzt worden.
"Mit aller gebotenen Zurückhaltung"
David McAllister, der Leiter des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, reagierte im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel abwartend: "Angesichts der Erfahrungen, die wir alle in den letzten Monaten in London gemacht haben, nehmen wir das alle mit der gebotenen Zurückhaltung zur Kenntnis." Denn oft sei schon der Durchbruch gemeldet worden, und dann sei doch alles anders gekommen. Wenn May es schaffe, den Entwurf in ihrer Regierung und Unterhausfraktion mehrheitsfähig zu machen, wäre der Weg für eine Einigung frei.
Berichte, wonach die Chefverhandler ihre Gespräche so gut wie abgeschlossen hätten, hatte es in den vergangenen Tagen immer wieder gegeben. Zuletzt hatte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans verkündet, man mache Fortschritte, sei aber noch nicht am Ziel.
Grenzfrage Irland offenbar gelöst
Großbritannien wird die EU am 29. März 2019 verlassen. Am problematischsten ist die Frage, wie nach dem Brexit Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden können. Die EU besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Partei und der DUP.
Nun haben sich beide Seiten wohl auf einen Kompromiss geeinigt. Medienberichten zufolge sieht der Plan vor, dass ganz Großbritannien im Notfall in der Europäischen Zollunion bleiben soll. Für Nordirland sollen demnach aber "tiefergehende" Bestimmungen gelten.
Beides dürfte auf Widerstand im Parlament stoßen. Die Brexit-Hardliner bei fordern, dass der "Backstop" nur für begrenzte Zeit gelten darf. Die DUP ist gegen jegliche Sonderrolle Nordirlands.
Ohne Mehrheit droht das Chaos
Sollte die nun angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit chaotischen Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May. Auch eine Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum werden für diesen Fall nicht ausgeschlossen.
Ex-Außenminister Boris Johnson und der einflussreiche Parlamentarier Jacob Rees-Mogg warfen May in Interviews vor, sich Brüssel unterworfen zu haben. Großbritannien lasse sich zum Vasallenstaat der EU degradieren und sei im Begriff, Dublin teilweise die Kontrolle über Nordirland auszuhändigen. Die beiden Brexit-Hardliner gelten als schärfste Widersacher Mays.
Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, teilte per Twitter mit, man werde sich den Text im Detail anschauen, es sehe aber nicht nach einem guten Deal für Großbritannien aus.
Mit Informationen von Holger Romann und Ralph Sina, ARD-Studio Brüssel