Einigung auf Brexit-Termin Und noch ein Aufschub
Die EU und Großbritannien haben vorerst einen harten Brexit abgewendet. Doch in London muss Premierministerin May weiter für den Austrittsvertrag werben. Selbst ein Aufschub des Aufschubs ist nicht ausgeschlossen.
Die Europäische Union hat Großbritannien noch einmal mehr Zeit gegeben: Der Brexit soll nun bis zum 31. Oktober geordnet über die Bühne gehen. Darauf haben sich die 27 bleibenden EU-Länder und die britische Premierministerin Theresa May geeinigt. Das könnte aber noch nicht das letzte Wort sein.
Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hält eine nochmalige Verschiebung des Brexit-Datums unter bestimmten Umständen für möglich, etwa sogar bis Ende 2020. "Alles ist denkbar", sagt Oettinger im Deutschlandfunk. Und auch EU-Ratspräsident Donald Tusk schloss nicht völlig aus, dass es eine weitere Verlängerung geben könnte. Die neu gewonnene Zeit solle nicht verschwendet werden, sagte er allerdings. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hält es hingegen für schwierig, eine weitere Verlängerung der Brexit-Frist zu gewähren.
Merkel: "Sehr guter Abend"
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Einigung. Es sei "ein sehr intensiver, sehr guter Abend" gewesen, der die Einigkeit der EU gezeigt habe, sagte sie.
US-Präsident Donald Trump kritisierte die EU für ihr Verhalten gegenüber Großbritannien. "Zu schade, dass die Europäische Union so streng mit dem Vereinigten Königreich und Brexit umspringt", schrieb Trump auf Twitter.
Debatte über Länge des Aufschubs
Über die Länge des Aufschubs auf dem Gipfel war zuvor heftig gestritten worden. Der französische Präsident Emmanuel Macron wandte sich gegen den Wunsch Merkels und anderer Länder, Großbritannien noch deutlich länger Zeit zu geben. Am Ende stand das Kompromissdatum 31. Oktober. Der ursprünglich für den 29. März geplante EU-Austritt des Vereinigten Königreichs war bereits einmal auf den 12. April verschoben worden - also Freitag.
Großbritannien kann bei der neuen "flexiblen" Verlängerung auch früher austreten oder den Brexit weiter rückgängig machen. "Ich mache mir nicht vor, dass die nächsten Wochen einfach werden", sagte May. Die Regierungschefin will den EU-Austritt noch vor dem 22. Mai abschließen, damit ihr Land nicht an der Europawahl teilnehmen muss. Dafür fehlt ihr in London allerdings noch die Mehrheit. Sollte in London keine rechtzeitige Lösung gelingen, schickt Großbritannien Abgeordnete ins neue Europaparlament. Etliche EU-Politiker finden dies problematisch, weil die britischen Parlamentarier noch kurz vor ihrem Abschied wichtige Entscheidungen mitfällen können, unter anderem die Wahl des neuen EU-Kommissionschefs.
Die neue Brexit-Frist soll nun mit dem Mandat der jetzigen Kommission und ihres Präsidenten Jean-Claude Juncker Ende Oktober enden. Die EU machte zur Bedingung für die Brexit-Verschiebung, dass die britische Regierung keine wichtigen EU-Entscheidungen blockiert.
May sucht weiter nach Mehrheit
Das britische Parlament hat den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag inzwischen bereits drei Mal abgelehnt - und die Gespräche mit Labour-Chef Jeremy Corbyn haben bisher noch keine Lösung gebracht.
Schon werden die Rufe nach einem zweiten Referendum in Großbritannien lauter. "Eine flexible Verlängerung bis zum 31. Oktober ist lang genug, um eine Volksabstimmung abzuhalten", sagte der Sprecher der britischen Liberaldemokraten, Tom Brake. "Es ist schon lange überfällig, dass May und Corbyn ihre politischen Spielchen aufgeben." Ähnlich hatte sich zuvor die neue "Unabhängige Gruppe" im Unterhaus geäußert. Mit einer Volksabstimmung könne "das ganze Debakel zu Ende gebracht werden", twitterte etwa der Abgeordnete Chris Leslie, der der Gruppierung angehört. Die Gruppe im Unterhaus besteht aus etwa einem Dutzend ehemaliger Labour- und Tory-Abgeordneter, die sich aus Unzufriedenheit über den Brexit-Kurs zusammengetan haben.
Heute will May die Gipfelergebnisse dem Unterhaus in London vorstellen.