Cameron im britischen Unterhaus "Das ist jetzt eine Sache für meinen Nachfolger"
Beim EU-Gipfel wollten sie ihn nicht mehr dabei haben, also stellte David Cameron sich in London den Fragen der Abgeordneten. Selbst Parteifreunde gingen den Premier frontal an. Als es um seine Nachfolge ging, konnte Cameron sich ein Schmunzeln trotzdem nicht verkneifen.
Eigentlich wäre David Cameron heute noch in Brüssel gewesen - doch die anderen 27 wollten ihn nach dem Brexit-Votum nicht mehr dabei haben. Und so hatte er Zeit, sich wie fast jeden Mittwoch, wenn er nicht gerade auf Reisen ist, im Unterhaus in London den Fragen der Abgeordneten zu stellen.
Die Atmosphäre dort war allerdings auch nicht besser als auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Gleich mehrere Abgeordnete, auch aus seiner eigenen Partei, gingen den Premierminister frontal an. Besonders die aus Wahlkreisen mit wirtschaftlichen Problemen. Sie haben jetzt realisiert, dass die Fördermilliarden, die sie aus EU-Töpfen bekommen, in Zukunft nicht mehr fließen werden.
Wenn sein Wahlkreis unter Camerons Nachfolger auch nur einen Penny weniger bekommen würde, wäre das ein Riesenbetrug, rief zum Beispiel ein Abgeordneter aus Wales. Cameron müsse dafür zu sorgen, dass die britische Regierung den Verlust der europäischen Fördergelder für Sheffield in voller Höhe aus dem britischen Haushalt ausgleichen werde, so der Abgeordnete der alten Industriestadt in Yorkshire.
"Wir wissen nicht, was mit unserer Wirtschaft passiert"
Der noch amtierende Premierminister tat sich schwer mit zuverlässigen Antworten. Cameron hatte nach der Niederlage beim Referendum seinen Rücktritt angekündigt, will den Austritt seinem Nachfolger überlassen. "Ich würde mich dafür einsetzen, dass wir die Hilfen für benachteiligte Regionen und für Landwirte fortsetzen", sagte Cameron. "Aber es ist für jeden schwer, dafür jetzt eine Garantie abzugeben, weil wir nicht wissen, was mit unserer Wirtschaft passiert. Das ist jetzt eine Sache für meinen Nachfolger, die Versprechen, die die Ausstiegsbefürworter abgegeben haben, nun auch einzuhalten."
Die Kampagne für den Austritt hatte zugesichert, dass die Milliarden, die das Land an Beitrittsgeldern für die EU spart, voll in das britische Sozialsystem investiert würden, dass Bauern und Regionen auf nichts verzichten müssten. Seit dem Referendum sind aber bereits einige Brexit-Politiker von diesen Zusagen abgerückt. Und besonders der Favorit für die Nachfolge Camerons, der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson, gilt als nicht besonders verlässlich.
Angela Merkel oder Silvio Berlusconi?
Alan Duncan, ein Abgeordneter aus Johnsons konservativer Partei, nannte ihn deshalb heute im Parlament Silvio Borisconi, in Anspielung auf den früheren italienischen Ministerpräsidenten, der ebenfalls einen zweifelhaften Ruf genoss. An Cameron gerichtet, fragte er: "Wenn Sie mal die Auswirkungen auf die Reputation und den Erfolg eines Landes betrachten: Wie würden Sie dann die ruhige Kompetenz und Würde von Angela Merkel mit dem theatralischen und komischen Auftreten von Silvio Borisconi vergleichen?"
Cameron musste daraufhin schmunzeln, entzog sich aber einem Nachtreten gegen seinen möglichen Nachfolger mit der Bemerkung, dass weder Merkel noch Berlusconi bei den britischen Konservativen zur Wahl stünden. Boris Johnson, der die Kampagne für den Austritt Großbritanniens aus der EU angeführt hatte, zog es heute erneut vor, nicht ins Parlament zu gehen.
Am Ende entscheidet die Basis
Klar ist, dass Johnson viele Gegner in der eigenen Fraktion hat. Klar ist aber auch, dass er als Favorit in das Rennen um Parteivorsitz und Premierminister-Amt geht, weil er bei der Parteibasis sehr beliebt ist. Und es sind die Mitglieder, die am Ende die Entscheidung treffen.
Umweltministerin Liz Truss warb heute für Johnson. "Wir müssen jetzt sicherstellen, dass wir einen guten Deal in den Verhandlungen mit der EU bekommen", sagte Truss. "Boris ist ein Mann, der diese Weltbühne beherrscht - das sollten die Mitglieder unserer Partei berücksichtigen.“
Bis morgen Mittag können die Kandidaten für die Nachfolge Camerons ihre Bewerbung einreichen - danach wird die Liste geschlossen. Am 9. September soll der Name des neuen konservativen Parteivorsitzenden und Premierministers bekannt gegeben werden.