Brexit Die Unruhe vor dem Putsch?
Beim Treffen der EU-Botschafter zum Brexit am Abend wird kein Streit erwartet. Ganz anders ist die Lage in Großbritannien. Befürworter und Gegner giften sich an, ein Ex-Minister tritt nach.
Er liegt auf dem Tisch, der Entwurf des Brexit-Abkommens: Ein hoher Papierstapel, 585 Seiten dick. Vor knapp einer Woche hatten sich die Unterhändler von EU und Großbritannien darauf geeinigt. Anschließend stimmte Theresa Mays Kabinett dem Entwurf zu.
Nun sind die EU-Länder dran. Die Regierungen in den europäischen Hauptstädten haben den Entwurf des Brexit-Abkommens in den vergangenen Tagen geprüft und können nun eine erste Bewertung abgeben. Dazu treffen sich die Botschafter der 27 EU-Länder am Abend in Brüssel - allerdings ohne den britischen Vertreter.
Die meisten Mitgliedsstaaten dürften mit dem Brexit-Abkommen, so wie es auf dem Tisch liegt, einverstanden sein und keine weiteren Nachverhandlungen wollen. Das Treffen der Botschafter soll den Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs am kommenden Sonntag in Brüssel vorbereiten. Dort soll der Brexit-Vertrag gebilligt werden.
Widerstand im britischen Parlament
Anschließend muss das Europaparlament zustimmen - und natürlich das britische Parlament. Das könnte der Knackpunkt werden. Denn in London ist das Papier hoch umstritten. Brexit-Befürworter kritisieren zum Beispiel, dass Großbritannien auch nach dem Ausstieg Ende März 2019 als gesamtes Land in der Zollunion bleiben soll, damit es keine "harte Grenze" auf der irischen Insel gibt. Das bedeutet gleichzeitig, dass Großbritannien erst einmal keine neuen Handelsabkommen mit anderen Staaten der Welt abschließen kann, solange es Mitglied der EU-Zollunion ist.
Der Entwurf des Brexit-Vertrags regelt die künftigen Rechte der Bürger auf beiden Seiten, die Finanzforderungen der EU an Großbritannien und den Status der britischen Provinz Nordirland. Darüber hinaus sieht er, nach dem Brexit Ende März nächsten Jahres, eine knapp zweijährige Übergangsphase bis Ende 2020 vor. Diese Phase könnte allerdings verlängert werden, sollten die EU und Großbritannien sich bis dahin nicht auf ein gemeinsames Freihandelsabkommen und andere Regelungen einigen.
Streit über Grenze auf der grünen Insel
Während in Brüssel ruhig abgearbeitet wird, geht es in London noch immer hoch her. Premierministerin May verteidigte ihren Brexit-Kurs am Wochenende in einem Zeitungsinterview. Die Pläne ihrer Gegner für den EU-Austritt würden nicht funktionieren, sagte May der "Daily Mail". Besonders die alternativen Vorschläge zur Frage nach der irisch-nordirischen Grenze würden das Problem nicht lösen.
Britische Medien berichten, dass mehrere ranghohe Brexit-Befürworter unter Mays Konservativen versuchten, die Premierministerin zu Nachverhandlungen mit der EU zu bringen. Unter ihnen soll die konservative Fraktionsführerin im Unterhaus, Andrea Leadsom, sein. Diese sagte gestern in einem Fernsehinterview: Es müsse noch mehr getan werden, um vor dem EU-Gipfel am nächsten Sonntag das bestmögliche Abkommen für Großbritannien zu erzielen.
Der zurückgetretene Brexit-Minister Dominic Raab warf May schwache Verhandlungsführung vor. May habe der EU nicht glaubwürdig damit gedroht, notfalls ohne Abkommen auszuscheiden. "Wenn wir diesen Deal nicht zu vernünftigen Konditionen abschließen können, müssen wir sehr ehrlich sein mit dem Land, dass wir uns nicht bestechen und erpressen oder drangsalieren lassen und wir unserer Wege gehen werden", sagte Raab der "Sunday Times".
Der Brexit - er ist noch nicht in trockenen Tüchern.