EU-Botschafter beraten Brexit-Verschiebung immer wahrscheinlicher
Nach dem Scheitern von Johnsons Brexit-Zeitplan empfiehlt EU-Ratspräsident Tusk den EU-Mitgliedern eine Frist-Verlängerung. Sollte es länger als ein paar Wochen dauern, will Außenminister Maas einen handfesten Grund wissen.
Am 31. Oktober wollte Premierminister Boris Johnson Großbritannien mit einem Abkommen aus der Europäischen Union führen. Nun wird die Verschiebung des Brexit immer wahrscheinlicher. Nachdem das britische Unterhaus das von Johnson angestrebte beschleunigte Brexit-Verfahren gestern abgelehnt hatte, erklärte der Premier, das Gesetzgebungsverfahren werde zunächst nicht weitergeführt. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte an, er werde den EU-Staats- und Regierungschefs empfehlen, die Frist zu verlängern. Einen neuen EU-Gipfel soll es aber zunächst nicht geben.
EU-Botschafter beraten über Brexit-Verschiebung
Nach Diplomatenangaben werden sich die EU-Botschafter der Mitgliedsstaaten heute in Brüssel mit der Brexit-Verschiebung befassen. Eine Entscheidung wird dabei noch nicht erwartet. Es gibt aber bereits deutliche Signale: An Deutschland werde eine Verlängerung nicht scheitern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Auch für Außenminister Heiko Maas wäre eine Verschiebung um zwei bis drei Wochen denkbar, damit die Parlamentsabgeordneten in London das Gesetz verabschieden könnten. Frankreichs Europa-Staatssekretärin Amélie de Montchalin könnte sich eine "rein technische Verlängerung um einige Tage" vorstellen.
Neue Verhandlungen über das Austrittsabkommen lehne sie aber ab, sagte sie. Ein EU-Vertreter sagte, die derzeitige Situation stelle keine Krise dar, sondern lediglich ein Zeitproblem. Eine Fristverlängerung um drei Monate sei allerdings nicht akzeptabel. Die Verlängerung müsse kürzer sein.
Maas will keine Verschiebung um mehrere Monate ohne handfeste Begründung. "Wenn es darum geht, tatsächlich bis Ende Januar nächsten Jahres noch einmal den Brexit aufzuschieben, müssen wir wissen: Was ist der Grund dafür? Was wird in der Zwischenzeit geschehen? Wird es Wahlen geben in Großbritannien?", so der SPD-Politiker im RTL/n-tv-Interview. Das müsse in der EU besprochen werden und sei noch nicht entscheidungsreif.
Eine kurzfristige Verschiebung hält Maas hingegen nicht für problematisch: "Wenn es darum geht, um zwei, drei Wochen das Austrittsdatum zu verschieben, um den Abgeordneten in London die Möglichkeit zu eröffnen, die Ratifizierung des Gesetzes vernünftig über die Bühne zu bringen, ist das weniger das Problem."
Kommt nun der ungeregelte Brexit?
Der Brexit ist bereits zweimal verschoben worden: Zunächst vom 29. März auf den 12. April und dann auf den 31. Oktober. Am Wochenende hatte Johnson auf Druck des britischen Parlaments eine dreimonatige Verschiebung des Brexit auf den 31. Januar beantragt. Zugleich stellte er klar, dass es sein Ziel bleibe, am 31. Oktober aus der EU auszutreten. Nach der erneuten Niederlage im Parlament kündigte der Premier nun an, den ungeregelten Austritt aus der EU voranzutreiben.
Auch Neuwahlen werden wahrscheinlicher. Justizminister Robert Buckland sagte in der BBC, eine Neuwahl sei der "einzige Weg aus der Sackgasse". "Uns bleiben nur noch Neuwahlen", sagte er.