Bulgariens EU-Ratsvorsitz Perspektiven für den Westbalkan
Für die kommenden sechs Monate übernimmt Bulgarien die EU-Ratspräsidentschaft: ein Land, in dem die Zustimmung zur Europäischen Union groß ist - und das an den Ratsvorsitz große Hoffnungen für den Westbalkan knüpft.
Über dem Eingangsportal des Parlamentsgebäudes in Sofia sind drei Worte in goldfarbenen Buchstaben eingelassen: "Einheit macht stark". Dieses Motto hat die bulgarische Regierung für die EU-Ratspräsidentschaft übernommen.
Es soll Appell und Aufforderung zugleich sein - an die Mitgliedsländer der Europäischen Union sowie an die Staaten auf dem Westbalkan, die ihre Zukunft in der EU sehen. "Unsere Grundpriorität ist, dass die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft zu einer Balkan-EU-Ratspräsidentschaft wird", beschreibt Liljana Pawlowa, Ministerin für die EU-Ratspräsidentschaft, die Ziele der bulgarischen Regierung für die kommenden sechs Monate. "Wenn wir ein starkes Europa wollen, wenn wir eine Zukunft für Europa wollen, müssen wir gerade die Westbalkanländer einschließen, damit sie ein Teil davon werden."
Die Westbalkanstaaten müssten eine klare EU-Perspektive erhalten, findet sie. Die Beitrittskandidaten Serbien und Montenegro verhandeln bereits seit mehreren Jahren mit der EU-Kommission. Albanien und Mazedonien hoffen, in diesem Jahr die Gespräche mit Brüssel aufnehmen zu können.
Drei Prioritäten für den Westbalkan
Drei große Prioritäten habe man für den Westbalkan, erklärt Pawlowa. Das seien auch die wichtigsten drei Themen für das Gipfeltreffen im Mai. "An erster Stelle steht die EU-Perspektive für den Westbalkan. Wir wollen, dass für jedes einzelne Land des Westbalkans ein klarer Aktionsplan mit einer klaren Perspektive ausgearbeitet wird." Die zweite Priorität: Sicherheit und Migration. "Wir sprechen hier über Antiterrorismus, über Gefahren jeglicher Art und Radikalisierung", sagt Pawlowa. "Die dritte Priorität für den Westbalkan sind die Verbindungen - einerseits die Infrastrukturverbindungen, aber auch die sozialen und die zwischenmenschlichen Verbindungen."
Mit den Vorbereitungen für die EU-Ratspräsidentschaft war bereits die Vorgängerregierung von Ministerpräsident Boiko Borissow befasst. Deniza Slatewa, stellvertretende Parlamentspräsidentin von der oppositionellen Sozialistischen Partei, stellte vor einem Jahr die Weichen. Sie war damals Vize-Ministerpräsidentin und koordinierte die Planungen im neu geschaffenen "Ministerium für die EU-Ratspräsidentschaft".
Slatewa wuchs in der damaligen DDR auf und arbeitete später unter anderem auch für deutsche Unternehmen. Sie weist auf die bulgarischen Interessen an die kommenden sechs Monate hin: "Das eine ist der Schengen-Beitritt. Das Zweite ist die Beendigung des Kooperations- und Kontrollmechanismus. Und eine nationale Priorität, die nicht direkt mit der Ratspräsidentschaft verbunden ist, ist der künftige Beitritt zur Eurozone." Über diese Ziele gebe es einen breiten innenpolitischen Konsens über alle Parteigrenzen hinweg, so Slatewa.
Vertrauen in die Europäischen Institutionen
Dass das Land unverändert unter dem Kontrollmechanismus der EU steht, dass regelmäßig Fortschrittsberichte verfasst werden über ein Land, das schon elf Jahre EU-Mitglied ist, betrachten viele in Bulgarien als nicht mehr hilfreich. Generell sei die Akzeptanz der EU in der Bevölkerung aber konstant hoch, sagt Parwan Simeonow von Gallup International in Sofia: "Die Bulgaren sind ein Volk, das größeres Vertrauen in die Europäischen Institutionen hat als in die eigene Regierung." 60 Prozent der Bulgaren vertrauen diesen Institutionen. Früher, so begründet der Politologe diesen langfristigen Trend in der Bevölkerung, sei die EU ein weit entfernter Traum gewesen. Heute sei die Mitgliedschaft längst Realität.