Getötete Journalistin Marinowa Bulgariens Ermittler unter Druck
Deutschland und die EU machen Druck, den Tod der bulgarischen TV-Moderatorin Marinowa schnell aufzuklären. Wurde sie wegen ihrer Tätigkeit als Journalistin ermordet? Der Staatsanwalt sagt: Wir ermitteln in alle Richtungen.
Nach dem Tod einer TV-Moderatorin in Bulgarien suchen Ermittler nach Hinweisen auf den Täter. Dazu würden Personen aus dem kriminellen Milieu überprüft, berichtete der Sender bTV unter Berufung auf die Polizei. Man gehe derzeit von einem Einzeltäter aus. Auch Bulgariens Generalstaatsanwalt Sotir Zazarow und Innenminister Mladen Marinow arbeiteten vor Ort in der Stadt Russe an der Aufklärung des Falls.
Ruf nach schneller Aufklärung
Die EU und die Bundesregierung fordern schnelle Aufklärung. Das Auswärtige Amt äußerte sich "tief bestürzt" über die "brutale und furchtbare Ermordung". Über die Motive der Tat gebe es derzeit keine belastbaren Erkenntnisse, daher sei eine schnelle und "möglichst umfassende" Aufklärung entscheidend, sagte ein Sprecher in Berlin.
Auch die EU-Kommission reagierte entsetzt. Die zuständigen Behörden müssten klären, ob das Verbrechen in Verbindung zu der Arbeit der Frau stehe, sagte der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. Es gehe darum zu garantieren, dass Journalisten überall sicher seien und ihre wertvollen Beiträge für die demokratischen Gesellschaften leisten könnten. "Die EU-Kommission erwartet von der verantwortlichen Behörden eine rasche und gründliche Untersuchung", sagte er. Ohne freie Presse gebe es keine Demokratie. Ähnliche Stellungnahmen zum Fall Marinowa kamen auch aus dem Europaparlament.
Ermittlungen in alle Richtungen
Die Staatsanwaltschaft in Sofia bekräftigte, in alle Richtungen zu ermitteln. Die Leiche der 30 Jahre alten Wiktorija Marinowa, Moderatorin eines lokalen Kabelsenders, war am Samstag in einem Park am Donauufer in Russe entdeckt worden, wo sie joggen gegangen war. Den Erkenntnissen der Ermittler zufolge, wurde Marinowa vergewaltigt, sie starb durch Schläge auf den Kopf und Ersticken. Unter anderem wurden ihr Mobiltelefon und ihr Autoschlüssel gestohlen.
Trauer um die ermordete Journalistin Marinowa in Bulgariens Hauptstadt Sofia
Marinowa arbeitete in Russe für den privaten Lokalsender TVN, wo am 30. September ihre Interviews mit zwei investigativen Journalisten ausgestrahlt wurden. Diese berichteten über ihre Recherchen zur mutmaßlichen Veruntreuung von EU-Geldern durch Geschäftsleute und Politiker. Ob der Mord im Zusammenhang mit Marinowas beruflicher Tätigkeit stand, ist unklar. "Wir gehen allen Hinweisen nach", sagte Staatsanwalt Zazarow. Dazu zähle auch die Frage, ob es einen Zusammenhang zu Marinowas Arbeit gebe. Ein Mordmotiv wegen ihrer Tätigkeit als Journalistin sei nicht "die ausschlaggebende Version", sagte Generalstaatsanwalt Zazarow.
Das EU-Betrugsbekämpfungsamt Olaf wisse von Vorwürfen des möglichen Missbrauchs von EU-Förderung in Bulgarien, teilte die Behörde der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel auf Anfrage mit. Die Behörde werte derzeit die Informationen aus, um zu entscheiden, ob eine Ermittlung eingeleitet werden solle oder nicht.
"Keine typische Investigativjournalistin"
Der Betreiber der Website Bivol.bg, für die einer der von Marinowa interviewten Journalisten arbeitet, sagte, ihr Tod sei eine "Exekution" und solle als "Warnung" dienen. Der oppositionelle Medienjournalist Swetoslaw Terziew äußerte sich zurückhaltender. "Bulgarien hat ein schlechtes Image in Sachen Pressefreiheit, aber möglicherweise besteht kein Zusammenhang zu ihrer Arbeit", sagte er. Tihomir Beslow vom Zentrum für Demokratische Studien in Sofia sagte, Marinowa sei "keine typische Investigativjournalistin" gewesen. Ihre Sendung scheine kein hinreichender Grund für einen Mord zu sein.
Marinowa ist die dritte Journalistin, die innerhalb eines Jahres in der EU ermordet wurde. Im Oktober 2017 wurde die maltesische Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia bei einem Bombenanschlag getötet. Im Februar sorgte die Ermordung des slowakischen Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten für Entsetzen.
Bulgarien steht im weltweiten RSF-Ranking zur Pressefreiheit derzeit auf Platz 111 und hat damit die schlechteste Bewertung aller EU-Staaten. In dem südosteuropäischen Land ist auch Gewalt gegen Frauen weit verbreitet.
Der Sender TVN, für den Marinowa tätig gewesen war, veröffentlichte ein Foto von ihr mit einem Aufruf im Gedenken an die Moderatorin: "Vollbringe eine gute Tat! Für Wiktorija! Sie würde es so wollen!", appellierte der Sender an die Öffentlichkeit. Im Zentrum der Hauptstadt Sofia, in Russe und in anderen größeren Städten begannen am Abend Gedenkandachten mit Kerzen für Marinowa.