Whistleblowerin kommt frei Obama begnadigt Chelsea Manning
US-Präsident Obama hat die 35-jährige Haftstrafe für die Whistleblowerin Chelsea Manning verkürzt. Die frühere WikiLeaks-Informantin soll Mitte Mai aus dem Gefängnis freikommen. Das könnte auch Folgen für WikiLeaks-Gründer Assange haben.
In einer seiner letzten Amtshandlungen hat US-Präsident Barack Obama die frühere Whistleblowerin Chelsea Manning begnadigt und ihr den größten Teil ihrer Strafe erlassen. Sie war wegen Spionage zu 35 Jahren Haft verurteilt worden und darf das Gefängnis nun am 17. Mai 2017 verlassen. Das teilte das Weiße Haus mit.
Die transsexuelle Informantin, die als Mann unter dem Namen Bradley Manning bekannt geworden war, sitzt seit sechs Jahren in Isolationshaft im Militärgefängnis in Fort Leavenworth im Bundesstaat Kansas ein. Manning hatte gestanden, beim Militäreinsatz im Irak insgesamt rund 700.000 vertrauliche Armeedokumente sowie Depeschen der US-Diplomatie von Militärrechnern heruntergeladen und WikiLeaks zugespielt zu haben. Nach eigenen Angaben wollte sie damit eine öffentliche Debatte über die Kriege in Afghanistan und im Irak anstoßen.
Manning ist der bekannteste Name auf einer Liste von 64 Begnadigungen und 209 Straferlässen, die Obama nun gewährte. Der im russischen Exil lebende Geheimdienstinformant Edward Snowden, über dessen Begnadigung spekuliert worden war, steht nicht darauf. Manning hatte sich im Gegensatz zu Snowden an den US-Präsidenten gewandt und um ihre frühzeitige Entlassung gebeten.
Der Fall des im russischen Asyl lebenden Snowden sei nicht mit Manning vergleichbar, sagte Josh Earnest, Sprecher des Weißen Hauses. Snowden hatte 2013 massenweise Dokumente über die Spionagetätigkeit des US-Geheimdienstes NSA zugänglich gemacht. Journalist Glenn Greenwald, der 2013 für den britischen "Guardian" die Enthüllungen von Edward Snowden veröffentlichte und sich seit langem für die Freilassung Mannings eingesetzt hatte, sagte:
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Präsident Obama auch Snowden begnadigen wird. Snowden sagt nicht, er habe etwas Falsches getan. Er ist im Gegenteil sogar sehr stolz und bedauert nur, dass es nicht früher getan hat.
Zwei Selbstmordversuche in der Haft
Bürgerrechtsaktivisten hatten die 35-jährige Haftstrafe für Manning als viel zu hart kritisiert und dabei auch auf deren mental und psychisch problematischen Zustand verwiesen. Nach Angaben der Unterstützer versuchte sie in der Haft zwei Mal, sich das Leben zu nehmen. Der jetzige Beschluss Obamas könnte Manning "ganz buchstäblich das Leben retten", sagte Chase Strangio von der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU.
WikiLeaks spricht von "Sieg"
WikiLeaks feierte die vorzeitige Haftentlassung Mannings als großen Erfolg. "SIEG", hieß es in Großbuchstaben in einer Botschaft der Enthüllungsplattform im Internetdienst Twitter.
Auch Amnesty International begrüßte Obamas Entscheidung. US-Regisseur Michael Moore twitterte ein "DANKE" an ihn. Snowden schrieb auf Twitter: "In fünf Monaten wirst du frei sein. Danke für alles, was du für alle getan hast."
Druck auf Assange wächst
In den vergangenen Wochen war der öffentliche Druck auf Obama größer geworden, Manning noch vor dem Amtsantritt seines republikanischen Nachfolgers Donald Trump zu begnadigen. Nach der Bekanntgabe bedankte sich WikiLeaks-Gründer Julian Assange via Twitter bei allen, die für die Hafterlassung der 29-Jährigen gekämpft hätten.
Dabei erwähnte er das frühere Angebot, sich im Gegenzug für eine Begnadigung Mannings in die USA ausliefern zu lassen, nicht. Assange hält sich seit Mitte 2012 in Ecuadors Botschaft in London auf. Der 45-jährige Australier war in die Botschaft geflohen, um einer Festnahme durch die britische Polizei und schließlich einer Auslieferung an Schweden zu entgehen, wo er zu Vergewaltigungsvorwürfen befragt werden sollte. In den USA droht ihm wegen der Veröffentlichung hunderttausender geheimer US-Dokumente durch Wikileaks eine lange Haftstrafe.
In einer Erklärung an die Nachrichtenagentur AFP forderte Assange: "Im Namen der Demokratie und zum Wohle des Rechtsstaates muss die Regierung ihren Krieg gegen Whistleblower und Veröffentlicher wie WikiLeaks und mich sofort beenden."
Eine "empörende" Entscheidung
Kritik an Obamas Entscheidung kam vom Vorsitzende im US-Repräsentantenhaus, Paul Ryan. Der Republikaner nannte sie "empörend". Manning habe "das Leben der Amerikaner riskiert und einige der sensibelsten Geheimnisse der Nation entblößt".
Der scheidende US-Präsident setze damit einen Präzedenzfall: Diejenigen, die die nationale Sicherheit kompromittierten, würden nicht für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen. Für Senator John McCain bleibt Manning eine Spionin, die amerikanische Truppen gefährdete.
Mit Informationen von ARD-Hörfunkkorrespondent Andreas Horchler.