Prozess in Russland Urteil gegen Chodorkowski erst Ende Dezember
Im Prozess um illegale Ölverkäufe muss der frühere Jukos-Chef Chodorkowski weiter auf den Urteilsspruch warten: Der für heute angesetzte Termin wurde auf den 27. Dezember verschoben. Gründe nannte das Gericht nicht. Menschenrechtler meinen, dies sei ein schlechtes Zeichen.
Von Stephan Laack, ARD-Hörfunkstudio Moskau
Freunde und Angehörige der beiden Angeklagten Michail Chodorkowski und Platon Lebedew sowie Journalisten standen ratlos vor verschlossenen Türen. Am Eingang des Moskauer Gerichts war ein DIN A4 Blatt aufgehängt worden. Die Urteilsverkündung werde verschoben - so die lapidare Mitteilung.
Zwanzig Monate hatte der umstrittene Prozess gedauert. Im In- und Ausland war das Urteil mit Spannung erwartet worden. Das Gericht hielt es nicht für nötig, die überraschende Verzögerung rechtzeitig mitzuteilen. Selbst die Rechtsanwälte Chdorkowskis und Lebedews wurden nicht in Kenntnis gesetzt, wie Konstantin Riwkin beklagt. Ein Gerichtssprecher habe eine entsprechende Bekanntmachung an der Tür angebracht, berichtet er. "Ich habe einen unserer Kollegen gebeten, einmal nachzufragen, was das alles bedeuten soll. Der hat dann erfahren, dass Chodorkowski und Lebedew heute nicht ins Gericht gebracht werden und dass die Urteilsverkündung auf den 27. Dezember verschoben wird. Wir wurden überhaupt nicht informiert - weder schriftlich noch telefonisch."
Keine Begründung
Die Vertagung werde nicht begründet, sagte Gerichtssprecherin Natalja Wassiljewa gegenüber der Russischen Agentur Interfax. Chodorkowskis Anwalt Wadim Kljuwgant meinte dazu, dies sei "in gewisser Weise auch logisch, weil nur der Richter das Recht hat, dies zu kommentieren. Laut Gesetz ist es ihm nicht erlaubt, momentan mit den Anwälten zu reden."
Möglicherweise ist die Begründung des Urteils nicht rechtzeitig fertig geworden. Das Schriftstück dürfte mehrere hundert Seiten lang sein - für das Verlesen des Urteils werden Tage, wenn nicht sogar Wochen benötigt.
Schlechtes Zeichen?
Menschenrechtlerin Ljudmilla Alexejewa sprach von einem schlechten Zeichen. Die Verzögerung sei ein Hinweis darauf, dass beide zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden sollen. Das Gericht würde darauf spekulieren, dass sich im Westen zwischen Weihnachten und Silvester weniger Menschen für Nachrichten interessierten. Ähnlich äußerten sich auch die Eltern Chodorkowskis, die mit Verärgerung auf die Verschiebung reagierten.
Dem ehemaligen Chef der Erdölfirma Jukos wird vorgeworfen, 218 Millionen Tonnen Öl gestohlen zu haben. Wie sein Geschäftspartner Lebedew sitzt er bereits eine mehrjährige Haftstrafe wegen Betrugs und Steuerhinterziehung ab, die im kommenden Jahr enden würde. Die Staatsanwaltschaft hat 14 Jahre Haft beantragt; die Verteidigung plädiert auf Freispruch.
Internationale Kritik
Für den Prozess gegen die beiden Manager hagelt es international scharfe Kritik. Die Anschuldigungen seien absurd, es ginge nur darum, Chodorkowski weiter in Haft zu behalten, damit er nicht vor der Präsidentschaftswahl 2012 auf freien Fuß komme. Der einst reichste Mann Russlands gilt als scharfer Kritiker von Ministerpräsident Wladimir Putins. Neben Chodorkowkis politischen Ambitionen dürften auch seine früheren Pläne, Teile von Jukos an westliche Firmen zu verkaufen, Putin ein Dorn im Auge gewesen sein.