Corbyn zum Brexit Sinneswandel bei Labour
Brexit, neues Referendum - ja, nein, vielleicht: Labour-Chef Corbyn vermied bislang eine klare Position - auch aus Angst, Wähler aus einem der beiden Lager zu verprellen. Jetzt ändert er seine Strategie.
Der Vorsitzende der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, hat den künftigen konservativen Premierminister zu einem zweiten Brexit-Referendum aufgerufen. In einem Schreiben an alle Mitglieder der größten Oppositionspartei machte Corbyn zudem erstmals deutlich, dass seine Partei in diesem Fall für einen Verbleib in der EU werben werde. Er schrieb: "Unter diesen Umständen will ich es klar machen, dass Labour für einen Verbleib kämpfen würde, gegen keinen (Brexit)-Vertrag oder gegen einen Tory-Vertrag, der Wirtschaft und Arbeitsplätze nicht schützt."
Bislang keine klare Position
Der Schritt gilt als deutliche Kursänderung. Gegner und Anhänger warfen Labour immer wieder vor, keine klare Position zum Brexit zu beziehen, aus Angst Wähler aus einem der beiden Lager zu verprellen. Die Partei lehnte den von Ex-Premierministerin Therasa May ausgehandelten Vertrag ab, war aber auch gegen einen EU-Austritt ohne Abkommen. Stattdessen strebte sie Neuwahlen an, in der Hoffnung dann selbst an die Regierung zu kommen.
Der langjährige EU-Kritiker Corbyn sträubte sich zudem gegen eine neue Volksabstimmung und forderte, Labour müsse den Wählerwillen von 2016 akzeptieren. Jüngste Wahlergebnisse zeigten aber, dass Labour Stimmen an Parteien wie die Liberaldemokraten und die Grünen verliert, die wollen, dass Großbritannien in der EU bleibt.
Schlechtes Abschneiden bei Europawahlen
Der Labour-Abgeordnete Hilary Benn sprach von einem entscheidenden Augenblick. "Wir haben gesehen, was fehlende Klarheit Labour bei den Europawahlen eingebracht hat: Wir haben 14 Prozent der Stimmen erhalten", sagte der Vorsitzende des Brexitausschusses im Unterhaus. Nach Corbyns Sinneswandel ließ sein Brief einen wichtigen Punkt offen. Es blieb unklar, was Labour in Sachen Brexit zu unternehmen gedenkt, falls die Partei selbst an die Regierung kommt.
Danach sieht es auch zumindest kurzfristig nicht aus: Der neue Vorsitzende der Tories soll bis Ende Juli gekürt sein, die Entscheidung treffen die 160.000 Parteimitglieder - aller Voraussicht nach wird Boris Johnson gegen Jeremy Hunt das Rennen machen. Johnson wird dann auch automatisch Regierungschef. Premierministerin May war wegen ihres gescheiterten Brexit-Kurses zurückgetreten.
Tories wollen notfalls ohne Vertrag raus aus EU
Beide Kandidaten wollen Änderungen am Brexit-Abkommen durchsetzen. May war damit im Parlament drei Mal gescheitert. Sollte die EU, wie angekündigt, nicht zu Zugeständnissen bereit sein, wollen beide notfalls am 31. Oktober auch ohne Abkommen aus der EU ausscheiden. Corbyn forderte nun, dass die Briten in beiden Fällen das letzte Wort haben und sich für eine Abkehr vom EU-Austritt entscheiden können. "Wer auch immer der nächste Premierminister sein wird, sollte das Selbstvertrauen haben, seinen Deal oder No Deal der Bevölkerung in einer öffentlichen Abstimmung vorzulegen", so der Labour-Chef.