"Costa Concordia" zwei Monate nach der Havarie Leben mit dem Wrack
Seit zwei Monaten liegt die "Costa Concordia" vor der Insel Giglio. Das Interesse hat inzwischen nachgelassen, doch die Bewohner in Giglio blicken jeden Tag auf das Wrack. "So komisch es klingt, aber wir haben auch profitiert", sagt eine Frau.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom, zzt. Giglio
Das Demos-Hotel liegt direkt am Hafen von Giglio, mit einem kleinen Strand vor der Tür und einem wunderbaren Blick aufs Meer. Den Strand gibt es immer noch, doch der Ausblick hat sich verändert: "Jetzt sieht man nur noch das Schiff", sagt Hoteldirektor Gianluca Pigini.
Optimisten hoffen, dass in ein paar Monaten das Wrack entfernt ist. Realisten schätzen: Es dauert mindestens noch ein Jahr, bis die "Costa Concordia" von der Küste Giglios wieder weggeschleppt wird. Und wer will schon im Angesicht der Katastrophe Urlaub machen? "Es gibt eine gewisse Verunsicherung", sagt der Hoteldirektor. "Die Menschen haben auch Angst wegen einer möglichen Verschmutzung des Wassers. Es sind eben diese Meldungen, die die Menschen verrückt machen."
Wachstum bei den Übernachtungszahlen
Bisher hat Gianluca Pigini kaum Buchungen für die Sommersaison. Jetzt in der Nebensaison ist sein Hotel seit Wochen ausgebucht. Hier wohnen die Taucher und Techniker, die die Bergungsarbeiten am Wrack durchführen. Deshalb sagt Giglios Bürgermeister Sergio Ortelli: "Wir haben überhaupt keinen Grund zu Jammern. Alles in allem gab es ein Wachstum bei den Übernachtungszahlen", sagt Ortelli. "Vor allem die vielen Arbeitskräfte hier bedeuten für uns auch ein gutes Geschäft. Das muss man einfach zugeben."
Die Katastrophe vom 13. Januar hat die kleine Insel Giglio vor der toskanischen Küste in der ganzen Welt berühmt gemacht. Die befürchtete Umweltkatastrophe blieb aus. Die letzten Tropfen Treibstoff werden in diesen Tagen aus den Tanks des Wracks gesaugt.
Auch deshalb sieht Bürgermeister Ortelli zuversichtlich in die Zukunft: "Ich habe keine Angst mehr. Weil die Arbeiten sehr korrekt, sehr gründlich und effizient durchgeführt wurden. Ohne Fehler. Wir haben zu keinem Zeitpunkt die Umwelt und das Meer gefährdet."
Touristen kommen, um das Wrack zu sehen
Am Hafen von Giglio stehen vier Damen und blicken gebannt auf das Schiffswrack. Auch das ist eine neue Erfahrung für diese Insel. Menschen, die nur deshalb hierher kommen, um das Schiff zu sehen. "Wir sind hier, weil wir unserer Cousine das mal zeigen wollten. Die war noch nie hier. Das ist natürlich kein schöner Anlass."
Mit den Fähren am Wochenende kommen regelmäßig Hunderte Schaulustige, nur um einen Blick auf dieses gewaltige weiße Stahlgebirge zu werfen, das sich da vor Giglios Küste auftürmt. Auch diese Form des Tourismus nehmen die Insulaner mit großer Gelassenheit. Sie selbst, sagt Caterina Pellegrini, habe sich auch noch nicht an diesen Anblick gewöhnen können. "Dass da immer noch Menschen drin sind, das tut uns allen weh. Jeden Morgen wenn ich aus dem Fenster sehe, spreche ich ein Gebet für sie, das macht mich sehr traurig."
Von der Tragödie profitiert
"So komisch das klingt", sagt Pellegrini, "wir haben auch von dieser Tragödie profitiert", so die Frau aus Giglio. "Wir sind als Bewohner zusammengewachsen." Sie und ihr Mann haben in der Unglücksnacht zig Menschen aus aller Welt in ihrem Haus beherbergt. Aus dieser gemeinsamen Erfahrung sind richtige Freundschaften entstanden und Erinnerungen, die bleiben.
Sie zeigt das Paket einer Passagierin aus Deutschland, das sie vor ein paar Tagen erhalten hat. "Da waren die Kleider drin, die ich ihr geliehen habe, 50 Euro und zwei Pralinenschachteln mit der Aufschrift 'Danke'", erzählt Pellegrini. "Ich habe mit dieser Frau gemeinsam die ganze Nacht ihren Ehemann gesucht. Für sie war das, so hat sie das beschrieben, das Licht am Ende des Tunnels."