Erdbeben in Syrien und der Türkei Zahl der Toten steigt auf mehr als 42.000
Zehn Tage nach den heftigen Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Zahl der Toten auf mehr als 42.000 gestiegen. Vereinzelt werden noch immer Verschüttete lebend geborgen. Nachbeben erschweren die Räumarbeiten und die Hilfe.
Nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien sind mehr als 42.000 Tote geborgen worden. In der Türkei kamen laut dem Katastrophendienst Afad etwa 36.200 Menschen ums Leben. Aus Syrien meldete die Weltgesundheitsorganisation WHO zuletzt 5900 Tote.
In der Türkei würden etwa 13.000 Verletzte in Krankenhäusern behandelt, in vielen Fällen sei ihre Identität aber unklar, sagte ein Krankenhausmitarbeiter in Adana der Nachrichtenagentur dpa. Vielerorts wurde auch die Infrastruktur zur Krankenversorgung stark beschädigt.
1,6 Millionen Menschen in Notunterkünften
Laut der türkischen Regierung wurden fast 220.000 Wohnungen in der Erdbebenzone zerstört, stark beschädigt oder seien abrissreif. 1,6 Millionen Menschen sind in Notunterkünften untergebracht und 600.000 Menschen aus der Region evakuiert worden. Vielerorts fehlen temporäre Unterkünfte. In der Stadt Kirikhan und andernorts etwa bauen sich Menschen Behelfszelte und Öfen aus Materialien, die sie in den Trümmern finden.
Noch immer kommt es zu teils intensiven Nachbeben. "Wir haben es mit einer ungewöhnlichen Situation zu tun", sagte der Chef der Abteilung für Risikoverminderung von Afad, Orhan Tatar. Man habe inzwischen mehr als 4300 Nachbeben registriert.
NATO kündigt weitere Unterstützung an
Die NATO sicherte ihrem Mitgliedsland Türkei weitere Unterstützung zu. Das Bündnis errichte temporäre Unterkünfte für Tausende Menschen. Man wolle zudem vorhandene Lufttransportkapazitäten nutzen, um Zehntausende Zelte in den kommenden Tagen und Wochen in das Land schicken, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Ankara. Das Beben sei "die tödlichste Naturkatastrophe auf Bündnisgebiet seit der Gründung der NATO", so Stoltenberg.
Als einer der ersten westlichen Spitzenvertreter wird US-Außenminister Antony Blinken die Türkei nach der Katastrophe besuchen. Während seiner Europa-Reise will er am am 19. Februar auf dem NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik die Hilfsanstrengungen in Augenschein nehmen, so das US-Außenministerium. Im Anschluss wird Blinken weiter nach Ankara reisen, um sich dort mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu zu treffen.
Die USA haben für die Erdbebenhilfe in der Türkei und Syrien umgerechnet knapp 80 Millionen Euro zugesagt. Auch seien knapp 200 Rettungskräfte und zwölf Suchhunde im Erdbebengebiet. Die Hilfe wird über die Luftwaffenbasis Incirlik abgewickelt.
Weiterhin gibt es auch Berichte über späte Rettungen von Verschütteten. In der Stadt Antakya befreiten Einsatzkräfte der Feuerwehr aus Istanbul eigenen Angaben zufolge einen 13-Jährigen - nach 228 Stunden. Aus der stark zerstörten Stadt Kahramanmaras heißt es, türkische Rettungskräfte hätten ein 17-jähriges Mädchen nach 248 aus den Trümmern befreit.
Ärzte ohne Grenzen: Hilfe für Syrien reicht nicht
In Syrien trafen unterdessen weitere Hilfslieferungen ein, unter anderen aus Saudi-Arabien, dem Irak und aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die derzeit geleistete Hilfe kann den enormen Bedarf der Bevölkerung nach Einschätzung der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen jedoch nicht decken. Durch die Erdbeben seien in Syrien mehr als 1700 Gebäude komplett sowie mehr als 5700 teilweise zerstört.
Die Organisation rechnet auch mit einem deutlich erhöhten Bedarf an psychosozialer Beratung. Die Suizidrate sei bereits "in den vergangenen Jahren aufgrund der prekären Lebensbedingungen und der Perspektivlosigkeit gestiegen". Die Organisation warnte wegen des Mangels an sauberem Wasser zudem vor Cholera-Ausbrüchen.
Faeser weist Kritik an Visa-Vergabe zurück
In Deutschland geht derweil die Debatte über den Umgang mit Opfern aus dem Erdbebengebiet weiter. Bundesinnenministerin Nancy Faeser wies Kritik an zu hohen Hürden bei der Visa-Vergabe zurück. "Mehr können wir an dieser Stelle an Erleichterung kaum machen", sagte sie im Hessischen Rundfunk. Man werde aber gegebenenfalls nachbessern, etwa beim Personal der Ausländerämter.
Kritik war laut geworden, weil trotz des Versprechens einer unbürokratischen Hilfe für Drei-Monats-Visa zur Aufnahme bei Verwandten in Deutschland zum Beispiel ein gültiger Pass und ein biometrisches Foto benötigt werde. Dies sei angesichts der Zerstörung in den betroffenen Gebieten oft nicht zu beschaffen.
Faeser verwies auf Vereinbarungen mit den türkischen Behörden für Fälle, in denen Pässe unter den Trümmern verschüttet sind. Deutschland habe außerdem zwei Visa-Stellen in der Region eingerichtet. An ordentlichen Visa-Verfahren gehe aber kein Weg vorbei. "Wir sind darauf angewiesenen, trotz schneller Hilfe darauf zu achten, wer zu uns kommt", sagte die Ministerin.