Fluchtroute Mittelmeer Italien blockiert Verlängerung von EU-Militäreinsatz
Rom blockiert die Verlängerung des EU-Militäreinsatzes "Sophia" vor der libyschen Küste - weil sich Italien in der Flüchtlingspolitik alleingelassen fühlt. Die Lage in libyschen Flüchtlingslagern verschärft das Dilemma der EU-Außenminister.
Von Kai Küstner, ARD-Studio Brüssel
Nun ist es offiziell: Italien hat beim Treffen der EU-Außenminister klargestellt, dass es einer Verlängerung der Marinemission im Mittelmeer namens "Sophia" zunächst nicht zustimmt. Weil die Regierung in Rom kurzfristig weiteren Prüfbedarf ankündigte, konnten die EU-Außenminister nicht wie geplant ein erweitertes Mandat für die Operation beschließen. EU-Diplomaten sahen darin den Versuch Italiens, die anderen Staaten wachzurütteln - und ihnen klarzumachen, dass Rom es auch wirklich ernst meint mit der Forderung, man möge doch bitte endlich helfen bei den mehr als 10.000 Schutzsuchenden, die von Libyen aus monatlich im Land ankommen.
"Wenn wir keine Solidarität gegenüber Italien zeigen, dann wird es wieder eine Katastrophe werden", warnt der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn jetzt eindringlich. "Das wird eine Katastrophe nicht nur für Italien, sondern für die gesamte Europäische Union." Und mit Solidarität meint Asselborn eben auch: Dass sich alle EU-Staaten daran beteiligen müssten, wenn die Flüchtlinge in Europa verteilt würden.
"Das sind zum Teil Konzentrationslager"
Genau das war jedoch in den letzten zwei Jahren nie gelungen. Und es sieht auch jetzt nicht danach aus, als könne man das in naher Zukunft erreichen. Es bleibt vorerst dabei, dass die EU-Staaten unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie man die zentrale Mittelmeerroute in den Griff bekommen könnte. Eine Extremposition vertritt der österreichische Außenminister Sebastian Kurz: "Was wir schaffen müssen, ist, dass sich die Menschen gar nicht mehr auf den Weg nach Libyen machen", sagt er. "Und das kann nur gelingen, wenn wir die Mittelmeerroute schließen."
Fraglich aber ist, ob sich Verzweifelte wirklich davon abhalten lassen, den Weg nach Libyen anzutreten, sollte Europa sich gänzlich abschotten. Unbestritten ist, dass die Zustände in den libyschen Lagern, in denen die Migranten und Flüchtlinge sich derzeit aufhalten, teilweise unerträglich sind: "Das sind zum Teil Konzentrationslager", sagt Asselborn. "Menschen werden dort vergewaltigt, es gilt kein Recht. Wir können das nur bewerkstelligen, wenn wir finanziell viel tiefer in die Tasche greifen, um der UNO zu helfen."
Das dürfe man nicht vergessen, wenn man die libysche Küstenwache ausbilde, mahnt Asselborn. Denn die soll ja letztlich die Boote der Schlepper direkt vor der Küste abfangen und die Migranten dann in libyschen Häfen absetzen. Die EU-Mission "Sophia" hingegen darf nicht nah genug an diese Küste heran. Sie bringt die aus Seenot geretteten Menschen in italienische Häfen. Und das in den vergangenen Monaten in so großer Zahl, dass Italien um Hilfe rief.
EU will Sanktionen auf Menschenschmuggler ausweiten
Die Verlängerung des Mission haben die Europäer also vorerst vertagt. Bis Ende Juli muss eine Entscheidung her. Dass man sich um eine Ausweitung bemüht, um eines Tages mit EU-Schiffen direkt vor der libyschen Küste operieren zu können, gilt derzeit als unwahrscheinlich.
Um aber beim Schlepper-Problem nicht gänzlich untätig zu bleiben, will die EU Sanktionen bald auch auf Menschenschmuggler ausweiten. Einige Hintermänner der Kriminellen sollen ihr Geld in Europa geparkt haben und hier auch Immobilien besitzen. Jetzt droht man ihnen mit dem Einfrieren der Vermögen und mit Einreiseverboten.
Zudem beschränkt die EU die Ausfuhr von Schlauchbooten und Außenbordmotoren nach Libyen. Damit will man den Schleppern, die Flüchtlinge an der libyschen Küste in genau solche hochseeuntauglichen Boote pferchen, das Geschäft etwas erschweren.
Dass man damit das Problem gänzlich in den Griff bekommt, ist allerdings kaum zu erwarten. Aus dem EU-Dilemma, Flüchtlinge einerseits von Europa fernhalten, gleichzeitig aber dabei nicht völlig unmenschlich erscheinen zu wollen, gibt es bislang kein Entrinnen.