Nach dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise Annäherung an Türkei und offene Fragen
Die Erwartungen an den EU-Gipfel in Brüssel waren hoch, der Zeitdruck enorm. Jeden Tag kommen Tausende Flüchtlinge in die EU und noch immer gibt es kein gemeinsames Krisenmanagement. Kann sich die EU mit der Türkei einigen?
Ob das wirklich der Beginn einer erfüllten und innigen Beziehung sein wird, ist offen - aber es ist doch unübersehbar, dass sich die EU der Türkei mit einem Eifer zuwendet, der in den vergangenen Jahren undenkbar gewesen wäre. Die Europäer brauchen die Türkei zur Lösung der Flüchtlingsfrage - in groben Zügen hat man sich auf einen Aktionsplan geeinigt, so Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: "Dieses Abkommen sieht vor, dass die Flüchtlinge, die sich in der Türkei befinden, dort auch bleiben werden." Das ist das Ziel: Die Türkei soll ihre Grenzen wirksamer als bisher versiegeln. Um möglichst dafür sorgen, dass es kaum mehr Anreize für die Schutzsuchenden gibt, in die EU, nach Deutschland weiterzuziehen.
Skepsis bei Österreichs Regierungschef Faymann
Ob das funktioniert in einem Land, in dem Syrien-Flüchtlinge bislang jedenfalls nicht arbeiten oder ihre Kinder in die Schule schicken dürfen, ist völlig offen: "Es wäre zu früh zu sagen, es ist alles gelöst. Man muss den Leuten die Wahrheit sagen: Wir sind einen Schritt weiter gekommen", so der österreichische Regierungschef Werner Faymann. Umsonst wird die EU ihre Wünsche nicht erfüllt bekommen. Drei Milliarden Euro verlangt die Türkei für die Versorgung der Flüchtlinge. Was ihr aber vermutlich noch viel mehr am Herzen liegt, ist das Visa-freie Reisen für ihre Bürger in die EU. Darüber wird seit Jahren verhandelt. Jetzt könnten sich die Dinge beschleunigen.
Bundeskanzlerin Merkel verlangt Steuerung
Denn der dringliche Wunsch der Europäer und Kanzlerin Merkel ist eben, dass nicht mehr so viele Flüchtlinge über ihre Grenze kommen: "Wir brauchen Steuerung, wir brauchen Ordnung, wir brauchen Planbarkeit“, so die Bundeskanzlerin in Brüssel. Sie reist am Wochenende in die Türkei. Am liebsten würde sich die Regierung von Präsident Erdogan auch zum "sicheren Herkunftsland" erklären lassen. Damit würde ihr die EU eine Art Gütesiegel aufdrücken. Dabei hatten die Europäer bis vor kurzem deutlich gerügt, dass die türkische Regierung es mit Menschenrechten nicht allzu genau nehme – in Punkto Pressefreiheit oder auch den Umgang mit den Kurden betreffend. Nun ist eine Entscheidung in Sachen "sicheres Herkunftsland" noch nicht gefallen.
Kritik kommt von den Grünen
Aber auch so schon mache die EU dem Präsidenten zwei Wochen vor geplanten Wahlen in der Türkei ein Riesen-Geschenk, kritisiert die Grüne EU-Abgeordnete Rebecca Harms: "Ob die Staats- und Regierungschefs das wollen oder nicht: Ihre Kritiklosigkeit an der Regierung Erdogan in Verbindung mit diesem Abkommen, ist eigentlich Wahlkampfhilfe für Erdogan.“
Sicherung der Außengrenzen
Derzeit konzentriert sich die EU stark darauf, ihre Außengrenzen zu sichern. Die vielleicht alles entscheidende Frage aber - einigt man sich doch noch auf eine faire Verteilungsquote für die Flüchtlinge, die es nach Europa schaffen - ist weiter unbeantwortet. Vom Tisch gewischt ist die keineswegs – schon deshalb, weil Berlin oder Brüssel schon dafür sorgen werden, dass sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit gestellt wird. Aber, gab die Kanzlerin freimütig zu, es gebe innerhalb der EU noch "unterschiedliche Ansichten". Also lautet folglich die Merkel’sche Schlussfolgerung: "Da haben wir also noch ein großes Stück Arbeit vor uns.“