EU-Sondergipfel zu Migration Gemeinsam strenger sein
Der bevorstehende EU-Sondergipfel steht ganz im Zeichen der Politik von Kanzlerin Merkel: Ja zu strikteren Asylregeln, aber bitte nicht im Alleingang. Oder sollten die Staatschefs über die EU-Grenzen hinausdenken?
Der Streit zwischen CDU und CSU hat das Thema Asylpolitik wieder deutlich in den Fokus gerückt. Es ist der Streit um die seit Jahren diskutierte Frage: Wie umgehen mit den Flüchtlingen, die in die EU kommen? Am Sonntag beraten neben Deutschland die Regierungschefs von neun weiteren EU-Staaten bei einem kurzfristig anberaumten Sondergipfel in Brüssel. Doch bereits jetzt steht fest: Die EU will die Schrauben in der Asylpolitik deutlich anziehen, wie aus dem Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels hervorgeht, der auch dem ARD-Studio Brüssel vorliegt.
Kein Wechsel von EU- zu EU-Land
Im Zentrum steht dabei die sogenannte Sekundarmigration, wenn also ein Asylbewerber von einem EU-Land ins nächste gelangt. Das soll es in Zukunft nicht mehr geben, der Bewerber soll in dem EU-Staat bleiben, der für die Bearbeitung seines Asylantrages zuständig ist. Das ist in der Regel das Land, in welchem der Migrant erstmals den Boden der EU betritt - ein Grundsatz, der im Dublin-Abkommen festgeschrieben steht.
Versucht ein Flüchtling trotzdem, in ein anderes EU-Land weiterzureisen, sollen ihm künftig Sanktionen drohen. Welche lässt der Entwurf noch offen. Außerdem sollen die Asylbewerber nur in dem quasi für sie zuständigen EU-Land Zugang zum Sozialsystem haben.
Damit die Weiterreise von EU- zu EU-Staat besser unterbunden werden kann, soll es an Bahnhöfen oder Flughäfen Kontrollen geben. Auch der Schutz der EU-Außengrenzen soll durch den Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex intensiviert werden.
Merkels Kurs in Schriftform
Der Entwurf spiegelt viele der Ziele von Bundeskanzlerin Angela Merkel wider. Bei einem gemeinsamen Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im brandenburgischen Meseberg hatten sich beide Regierungschefs auf ein bilaterales Abkommen geeinigt, um jeweils Flüchtlinge zurückschicken zu können. Gleiches hatte Merkel auch mit Italien versucht, war bei den populistisch ausgerichteten Führungsparteien aber auf deutlichen Widerstand gestoßen.
Sehen sich als Partner: Merkel und Macron.
Doch der Entwurf beinhaltet auch warnende Worte und auch die klingen wie den Worten der Kanzlerin entnommen. Vor nationalen Alleingängen wird gewarnt. Diese Formulierung hatte Merkel bereits genutzt, um sich klar gegen den Vorstoß der CSU unter Bundesinnenminister Seehofer zu stellen, Flüchtlinge direkt an der deutschen Grenze anzuweisen. In dem Entwurf heißt es nun wörtlich:
Unilaterale und nicht abgestimmte Maßnahmen wären nicht nur weniger wirksam, sondern würden auch den europäischen Zusammenschluss und die Errungenschaften von Schengen gefährden.
Liegt die Lösung außerhalb der EU?
An europäischen Lösungen müsse gearbeitet werden, so die rote Leitlinie der vorläufigen Gipfelerklärung. Doch es gibt durchaus auch Lösungskonzepte, die über die Grenzen Europas hinausgehen: etwa sogenannte Anlandezentren. Flüchtlinge, die den Weg über das Mittelmeer wählen, sollen gar nicht erst in die EU gelangen, sondern in Auffanglager in Nicht-EU-Ländern unterkommen.
Neu ist die Idee nicht. Schon vor Jahren brachte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Vorschlag auf, ebenso wie Sebastian Kurz, der heute Bundeskanzler in Österreich ist. Heute werben wesentlich mehr Staaten dafür, allen voran Dänemark, aber auch Frankreich und Italien haben sich bereits für ein solches Konzept ausgesprochen.
Auch Kanzlerin Merkel hatte sich wiederholt dafür ausgesprochen, die illegale Migration zu vermindern - ein Weg sollte etwa das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei sein. Und auch der Entwurf für den bevorstehenden Sondergipfel zielt indirekt auf die Möglichkeit solcher Zentren ab: Es müsse schneller zwischen Wirtschaftsmigranten und denen unterschieden werden können, die tatsächlich Anspruch auf Asyl und internationalen Schutz hätten. Und das solle im besten Fall bereits außerhalb der EU geprüft werden.
Viele Fragen, viel Widerstand
Doch so alt wie der Vorschlag sind auch die mit ihm verbundenen Probleme. Allen voran die Frage, in welchen Ländern solche Auffanglager überhaupt eingerichtet werden könnten. Einige Staaten, etwa Tunesien, weigern sich. Bei anderen bestehen Zweifel, ob die Länder wirtschaftlich und politisch stabil genug sind. Und dann bleibt die Frage, wer die Flüchtlinge, die ein Anrecht auf Asyl haben, in der EU aufnimmt. Das Prinzip eines Verteilungsschlüssels zwischen den EU-Ländern ist bereits gescheitert, vor allem am Widerstand der Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei.
Versuchen will es die EU trotzdem. Die EU-Kommission führt dazu bereits Gespräche mit dem UN-Flüchtlingswerk und der Internationalen Organisation für Migration.