Verhandlungen über Corona-Hilfen EU-Gipfel geht in den vierten Tag
Nachdem die Nacht noch kein Ergebnis brachte, gehen die Staats- und Regierungschefs der EU bis zum Nachmittag in eine Verhandlungspause. Ausgerechnet zwei, die kritisiert wurden, sind nun zuversichtlich.
Der EU-Gipfel über den Corona-Hilfsfonds geht nach nächtlichen Verhandlungen abermals in die Verlängerung - und damit in den vierten Tag. Am Morgen wurde der Gipfel nach kurzer Zusammenkunft in großer Runde erneut unterbrochen. Die Gespräche sollen am Nachmittag um 16.00 Uhr weitergehen, wie der Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter mitteilte.
Inzwischen habe es erhebliche Annäherungen zwischen den kontroversen Positionen gegeben, betonen EU-Diplomaten. "Wir können mit dem heutigen Ergebnis sehr zufrieden sein", twitterte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz.
Auch der niederländische Premierminister Mark Rutte deutete an, dass es Fortschritte auf dem Weg zu einer Einigung gebe: "Zeitweise sah es letzte Nacht nicht gut aus, aber ich finde, dass wir insgesamt vorankommen", sagte er vor Journalisten. Ein Scheitern sei aber nach wie vor möglich.
Sparsame trotz Kompromissvorschlag unzufrieden
Michel hatte die hatte die verhakten Verhandlungen um kurz vor Mitternacht ursprünglich nur für eine 45-minütige Pause unterbrochen. In den folgenden Stunden berieten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs in kleineren Gruppen weiter.
Knackpunkt ist jedoch nach wie vor der Anteil jener Gelder aus dem insgesamt 750 Milliarden Euro schweren Corona-Fonds, die als nicht rückzahlbare Zuschüsse ausgezahlt werden sollen. Einem ursprünglichen Vorschlag zufolge sollten 500 der 750 Milliarden Euro als Zuschüsse fließen, um insbesondere die hart von der Pandemie getroffenen Länder im Süden Europas zu unterstützen.
Auf Druck von Österreich, Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Finnland senkte Michel diesen Betrag am Samstag auf 450 Milliarden Euro ab. Dies aber reichte dem Kreis der sogenannten sparsamen Länder nicht. Sie boten dem Vernehmen nach zuletzt einen Betrag von 350 Milliarden Euro an, der Rest soll als Kredite vergeben werden. Zudem verlangten diese Staaten nochmals höhere Rabatte auf ihre Beitragszahlungen in den EU-Haushalt.
Auch was die Summe anbelangt, gibt es allerdings offenbar Bewegung: In EU-Kreisen kursiere ein Betrag von 390 Milliarden Euro, berichtet ARD-Korrespondentin Gudrun Engel.
Angesichts der zähen Verhandlungen sprach Norbert Röttgen, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, von einem erschreckenden "Ausmaß von Egoismen einzelner Teilnehmer" bei dem Gipfeltreffen. Europa erlebe eine "Jahrhundertpandemie und eine Jahrhundertrezession zugleich", betonte er im ARD-Morgenmagazin. "Das ist eine Situation, in der Europa beweisen muss, dass die Stärkeren den Schwächeren helfen." Für die "Geizigen Vier", wie er sie nannte, zeigte Röttgen kein Verständnis.
Macron weist Rutte und Kurz zurecht
Zu dem Nord-Süd-Streit über den Hilfsfonds kam auch eine West-Ost-Auseinandersetzung über die Frage, ob Zahlungen aus dem EU-Haushalt künftig an rechtsstaatliche Prinzipien geknüpft werden sollen. Dies lehnen Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Ungarns Regierungschef Viktor Orban vehement ab. Beiden Ländern Osteuropas wird vorgeworfen, mit umstrittenen Justiz- und Medienreformen rechtsstaatliche Prinzipien der EU zu verletzen.
Am Sonntag war vor allem der niederländische Regierungschef Rutte zunehmend und offen von Kollegen als Blockierer kritisiert worden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte Teilnehmern zufolge offen seinen Unmut: "Er hat auf den Tisch gehauen und gewarnt, dass eine derartige Haltung schlecht enden wird", sagte ein Mitglied einer Delegation.
Die Haltung Ruttes verglich Macron nach Angaben mehrerer Quellen dabei mit der des früheren britischen Premiers David Cameron in EU-Haushaltsverhandlungen. Macron stauchte den Angaben zufolge auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz zusammen, als dieser sich erhob, um außerhalb des Raumes ein Telefonat entgegenzunehmen. Kurz habe dann theatralisch eine verängstigte Geste gemacht und sei "beleidigt" gewesen, sagte ein Teilnehmer.
Nach Angaben von Teilnehmern rief Michel die 27 Staats- und Regierungschefs eindringlich zur Einheit auf. Sonst werde die EU "das Gesicht eines schwachen, vom Misstrauen untergrabenen Europas zeigen", warnte der Belgier.