Griechenland-Krisentreffen auf EU-Gipfel Tsipras will offenbar um Hilfe bitten
Ministerpräsident Tsipras will am Rande des EU-Gipfels bei einem Sondertreffen über den Schuldenstreit sprechen. Offenbar braucht Athen früher als vereinbart neue Kredite. Im eigenen Land muss Tsipras derweil sein 200-Millionen-Euro-Programm zur Armutsbekämpfung verteidigen.
Reicht das Geld in der griechischen Staatskasse noch für eine Woche? Oder für einen Monat? Oder doch länger? Offenbar weiß das niemand so genau, möglicherweise nicht einmal der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Klar ist nur, dass das Loch in der griechischen Staatskasse gewachsen ist, denn die Steuereinnahmen sind dramatisch eingebrochen. Der griechische Staat hat in den ersten Wochen dieses Jahres etwa zwei Milliarden Euro weniger eingenommen als geplant.
200-Millionen-Euro-Programm zur Bekämpfung der Armut
Zudem hat das griechische Parlament gestern neue Ausgaben beschlossen: Mit 200 Millionen Euro im Jahr will die Regierung die soziale Not in Griechenland bekämpfen und den ärmsten Familien Lebensmittel und kostenlosen Strom zur Verfügung stellen.
Ministerpräsident Alexis Tsipras löst damit ein Wahlkampfversprechen ein. "Mit diesem Gesetz zeigen wir, dass wir den Menschen beistehen, die Hilfe am dringendsten nötig haben", betont Varoufakis. "Es ist das erste Mal seit fünf Jahren, dass ein Gesetz nicht vom Bürger Opfer fordert, sondern im Gegenteil: Dieses Gesetz unterstützt die schwächsten Schichten in der Bevölkerung."
Tsipras will "politische Lösung" der Krise
Es ist wichtiger, Menschen in Not zu helfen als Sparziele einzuhalten - das ist das Credo von Tsipras. Davon will er am Abend auch Kanzlerin Angela Merkel, EZB-Chef Mario Draghi und weitere Spitzenpolitiker der EU auf dem Gipfel in Brüssel überzeugen. Tsipras strebt eine sogenannte "politische Lösung" für die akute Finanznot an.
Hinter der Floskel "politische Lösung" versteckt sich offenbar das Eingeständnis, dass Griechenland den vor gut drei Wochen vereinbarten Fahrplan nicht einhalten kann. Ende Februar nämlich hatte Griechenland zugestimmt, dass neue Hilfskredite frühestens Ende April fließen werden, wenn Griechenland weitere Reformen umgesetzt hat. Offenbar aber braucht Griechenland schon früher neue Kredite, um nicht in die Pleite zu stürzen.
Kurz vor dem EU-Gipfel hat die griechische Regierung ein Liquiditätsproblem eingeräumt. Athen brauche die Unterstützung der europäischen Partner, um einen finanziellen Engpass zu vermeiden, sagte Vizeministerpräsident Yannis Dragasakis. "Wir laufen Gefahr, ohne Geld zu bleiben." Griechenland habe seit
August keine Tranche der Geldgeber erhalten, komme aber weiterhin seinen Verpflichtungen nach.
Einem Zeitungsbericht zufolge will die Athener Regierung staatliche Versorger um Geld bitten. Demnach sollen Wasser- und Stromanbieter der für das staatliche Schuldenmanagement zuständigen Finanzagentur Geldmarktpapiere
abkaufen.
Opposition kritisiert hohe Ausgaben für Armutsbekämpfung
Wenn die Kassenlage so ernst ist, warum lässt die Regierung dann dieses 200-Millionen-Euro-Programm zur Bekämpfung der Armut beschließen, dass weder mit den Kreditgebern abgestimmt noch im Haushalt gegenfinanziert ist, fragte Adonis Georgiades von der konservativen "Nea Demokratia" im Parlament in Athen. "Sie, Herr Tsipras, und Ihre Regierung haben einen Vertrag unterschrieben, dass sie keine einseitigen Schritte beschließen, die den Haushalt belasten."
Derlei Argumente weist Tsipras jedoch empört zurück. Es sei eine "Frechheit", Hilfe für notleidende Menschen zu verunglimpfen. "Manche sind ja so unverschämt und werfen uns einseitige Schritte vor. Selbst hier im Parlament haben das welche behauptet. Wenn sie das tun, um uns einzuschüchtern, dann ist meine Antwort einfach: Wir lassen uns weder einschüchtern noch entmutigen."
Schön und gut, entgegnete Evangelos Venizelos von der sozialdemokratischen Oppositionspartei PASOK, und warnte im gleichen Atemzug wie riskant diese Politik ist. Neue Ausgaben beschließen und gleichzeitig zögern, die Auflagen der Kreditgeber umzusetzen - so werde es schwierig, einen Kompromiss mit den Euro-Partnern zu finden. "Ich hoffe nur, dass wir noch vermeiden können, mit voller Wucht gegen die Wand zu fahren. Aber leider bewegt sich unser Land darauf zu, und zwar ohne jede Bremse", so das etwas ratlose Fazit von Venizelos.