EU-Parlament für Nachbesserungen Tauziehen um Milliarden-Budget
Tagelang hatten die EU-Staaten um den Milliarden-Haushalt und das Corona-Hilfspaket gestritten. Doch der Kompromiss steht auf wackligen Füßen - das EU-Parlament pocht auf Änderungen. Und die Zeit drängt.
Auf der einen Seite sitzen sechs Abgeordnete als die Vertreter des Parlaments auf der anderen die Delegierten des EU-Rats angeführt vom deutschen EU-Botschafter Michael Clauß. Deutschland hat im Juli die rotierende Ratspräsidentschaft übernommen, weswegen jetzt die Bundesregierung die 27 Staaten in den Gesprächen vertritt.
Noch seien sie dabei herauszufinden, wo ihre gemeinsame Basis liege, sagt Margarida Marques, die auf Seiten des Parlaments am Verhandlungstisch sitzt. "Wir haben jetzt mit den Verhandlungen begonnen, und die werden schwierige werden". Klar sei, dass das Parlament dem Konsens des Rates, so wie er jetzt vorliege, nicht zustimmen werde. "Wir haben uns heute über die inhaltlichen und organisatorischen Fragen der weiteren Gespräche verständigt", sagt Marques. Die Teilnehmer seien sich alle darüber einig gewesen, dass sie auf eine Einigung hinarbeiten müssten. "Die Menschen in Europa warten auf diese endgültige Entscheidung."
Andere Bereiche vernachlässigt
Prinzipiell begrüßt das Parlament, dass die 27 Staats-und Regierungschefs sich auf ein Finanzpaket über 1,8 Billionen Euro geeinigt haben. Darin enthalten ist der mittelfristige Finanzrahmen für die kommenden sieben Jahre und die Corona-Hilfen. 360 Milliarden Euro an Krediten plus 390 Milliarden Euro an Zuschüssen, die von den Ländern nicht zurückgezahlt werden müssen.
Das Finanzpaket gehe aber zu Lasten anderer wichtiger Bereiche, weshalb das Parlament im Vermittlungsverfahren nun mehr Geld für Forschung, Klimaschutz, Gesundheit, Studenten und Migrationspolitik herausholen will, sagt die Abgeordnete Marques. "Ein anderer wichtiger Punkt für uns ist die Rechtsstaatlichkeit. Wir müssen sicher sein, dass das Geld der europäischen Bürger regelkonform verwendet wird", stellt sie klar.
In einem Land in dem beispielsweise die Rechtsprechung nicht unabhängig sei, gebe es natürlich keine solche Garantie. "Wir wollen, dass einem Empfängerland die Gelder der EU gekürzt werden können, wenn die europäischen Werte nicht respektiert werden", sagt sie.
"Wir sind sehr spät dran"
Denkbar ist, dass man dem Parlament mit der Aufstockung einzelner Programme entgegen kommt. Wie allerdings eine Rechtsstaat-Klausel aussehen könnte, hinter der alle Staatschefs der EU-Mitgliedsländer stehen, ist schwer vorstellbar.
Langes Pokern kann sich aber keine Seite leisten. Denn der Zeitdruck ist hoch. Wenn sich die Verhandlungen länger hinziehen sollten, hieße das formal, dass es ab dem 1.1.2021 keine Rechtsgrundlage dafür gebe, dass die EU überhaupt irgendwelches Geld ausgibt, sagt Jens Geier. Er sitzt als Haushaltspolitiker der sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament.
"Und vor dem Hintergrund, dass es Zeit braucht, die Entscheidungen auch formal zu fassen - der ganze parlamentarische Ablauf, die Ratifizierung in den nationalen Parlamenten, die Beschlussfassung aller Regelungen für die EU-Programme - da sind wir ohnehin schon sehr spät dran", sagt Geier.
Parlament fordert Nachbesserung
Das Parlament würde deshalb gern spätestens Ende Oktober über das Finanzpaket abstimmen. Vorausgesetzt es wurde deutlich nachgebessert. Denn auf keinen Fall werde man den Sieben-Jahreshaushalt und damit auch das Corona-Hilfspaket einfach durchwinken. Ohnehin liegt die Verantwortung für die Zeitnot bei den Staats-und Regierungschefs der EU, die schon im Herbst vergangenen Jahres und nicht erst im Juli ihren Vorschlag auf den Tisch legen wollten.