EU-Interventionstruppe Merkel und Macron wollen nicht dasselbe
Die Kanzlerin signalisiert Zustimmung für den Macron-Vorschlag, dass sich die EU eine Interventionstruppe zulegen müsse. Doch die Vorstellungen über die Ausgestaltung liegen weit auseinander.
Es war ein regelrechtes Reform-Ideen-Feuerwerk, das der französische Staatspräsident bei seiner mittlerweile berühmten Rede an der Pariser Sorbonne-Universität im September 2017 entfachte. Auf dem falschen Fuß erwischt wurden Brüssel, Berlin und die Bundeswehr damals auch von dem Vorstoß, die EU brauche auf militärischem Gebiet eine neue Kampf-Truppe, eine "Interventions-Einheit", wie Macron sie nannte.
"Zu Beginn des kommenden Jahrzehnts muss Europa mit einer gemeinsamen Interventionstruppe ausgestatten sein. Es muss einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt haben. Und eine gemeinsame Doktrin, um handeln zu können", so der französische Präsident.
Was Macron sich vorstellt, ist eine Art Feuerwehr-Einheit, die im Krisenfall schnell an militärische Brandherde geschickt werden kann. Den Einsatz gegen Islamisten in Mali etwa bestritt Frankreich anfangs ganz alleine. Für so einen Fall würde Paris künftig gerne den Rest der EU in die Pflicht nehmen.
Die Vorstellung über eine EU-Interventionstruppe gehen in Paris und Berlin auseinander.
"Absage der Kanzlerin"
Zunächst reagierte die Bundesregierung frostig auf den Vorstoß - nun scheint Kanzlerin Merkel im "FAS"-Interview mit dem Satz, sie stehe "einer Interventionsinitiative positiv gegenüber", ihre Unterstützung zu signalisieren.
"Ich sehe hier, wenn man es hart formuliert, eine Art Absage der Kanzlerin an die Initiative - jedenfalls in der Form, in der Macron sie will", meint hingegen der Europa-Direktor des German Marshall Funds, Jan Techau. Der im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel darauf verweist, dass Merkel gleich im nächsten Satz wörtlich fordert, die Truppe müsse in die "Struktur der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit eingepasst sein". Womit sie dem Vorstoß aus Paris sogleich wieder den Biss nehme.
"Das ist genau das, was Frankreich nicht will", erklärt Techau. "Frankreich will unabhängig von den EU-Institutionen eine Art 'Ad-Hoc-Koalition der Willigen' schaffen, wo im Einzelfall entschieden wird, wer in den Einsatz geht. Deutschland will das wieder einfangen."
Aus Sicht des Europa-Experten Techau drückt sich Berlin damit um das klare Bekenntnis, für andere EU-Staaten in militärische Einsätze zu ziehen. Genau das aber strebe Paris an.
"Was soll es bringen?"
Der Grüne EU-Parlamentarier und Außenpolitik-Experte Reinhard Bütikofer hingegen sieht nicht so recht, warum eine neue Interventions-Truppe überhaupt Sinn ergeben solle. Es gebe ja bereits eine ganze Reihe von EU-Krisen-Einheiten, etwa die 6000 Mann starke "Deutsch-französische Brigade" oder die sogenannten "EU-Battle-Groups", die aber bislang nie zum Einsatz gekommen seien.
"Ich sehe nicht, was es bringen sollte, neben all diesen Ansätzen noch einen zusätzlichen Ansatz draufzupacken. Da hat die Kanzlerin Recht, dass sie sagt, eine solche Interventionstruppe muss in die Struktur der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit eingepasst werden", so Bütikofer im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel.
Klar ist, dass der Abstimmungs-Bedarf zwischen Paris und Berlin noch groß ist, bevor eine neue EU-Interventionstruppe geschaffen wird. Auch wenn US-Präsident Trump mit seinen jüngsten Iran-Deal- und Zoll-Entscheidungen die Entfremdung von der EU noch vorangetrieben hat. Und das Bewusstsein zweifelsohne wachsen lässt, dass sich die Europäer auch außenpolitisch und militärisch auf eigene Füße werden stellen müssen.