EU-Parlament kritisiert neue Kommissare Junckers Team fällt auseinander
Die Anhörungen der Kommissare im Europaparlament neigen sich dem Ende zu. Gegen einige Anwärter gibt es massive Vorbehalte. Kommissionschef Juncker gerät dadurch unter Druck - und die Abgeordneten zeigen sich immer weniger kompromissbereit.
Noch nie musste sich eine künftige EU-Kommission einer so harten Prüfung unterziehen. Das Testverfahren des EU-Parlaments ist kein Plauderstündchen. Es ist eine Mischung aus mündlichem Abitur und parteipolitischer Abrechnung.
Manchmal, wenn es offenbar nicht so spannend ist, zücken Abgeordnete ihre Smartphones, um die Sternstunde des Parlaments im Bild festzuhalten. Man kann den Anhörungen eine große Transparenz nicht absprechen, viel größer als man sie bisher gewohnt war. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist stolz auf dieses Verfahren: "Jeder soll sehen: Wer sind die Leute, die entscheiden, und wer ist der Kandidat?"
Der einzige, der schon gewählt wurde - wenn er auch noch kein Team hat - ist Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er hatte die schwierige Aufgabe, aus einer Gruppe von Namen, die ihm aus dem Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs präsentiert wurden, ein Team zu machen.
Ein Fehlstart für den Kommissionspräsidenten
Juncker durfte bestimmen, wer welche Aufgabe in der Kommission übernehmen soll. Und er will eine neue Führungsriege etablieren: Vize-Kommissionspräsidenten, die einzelne Politikbereiche koordinieren sollen. Aber das ist Zukunftsmusik. Die Anhörungen haben viele Fragezeichen hinterlassen. Nach Lage der Dinge hat Juncker ein Problem: Sein Team wackelt. Der künftige Präsident der EU-Kommission wird nachbessern müssen. Leicht wird es nicht. Sein Ziel, mit der neuen Kommission im November durchzustarten, könnte in weite Ferne rücken.
Mindestens zwei Kandidaten vor dem Aus
Die Probleme zeichneten sich früh ab: Fünf Kandidaten waren von Anfang an umstritten. Einige konnten sich in den Anhörungen retten. Aber eine potentielle Vizepräsidentin der Kommission steht vor dem Aus: die Slowenin Alenka Bratusek. Der Brite Lord Hill musste nachsitzen und eine zweite Prüfung über sich ergehen lassen. Viele Abgeordnete trauten ihm nicht zu, die europäischen Finanzmärkte krisenfest zu machen.
Aber ein noch größeres Sorgenkind ist der Ungar Tibor Navracsics. Wegen seiner Nähe zur rechtskonservativen Regierung von Victor Orban steht er weiter in der Kritik. Im Kulturressort will ihn der zuständige EU-Parlamentsausschuss nicht sehen. Juncker müsste für ihn zumindest ein neues Ressort finden.
Eine Ersatzbank gibt es nicht
Einen Nachrücker zu bestellen, ist kompliziert und unangenehm für alle Seiten: Die ungarische Regierung müsste in diesem Fall gebeten werden, einen geeigneten Kandidaten zu benennen. Vor der gleichen Aufgabe dürfte die slowenische Regierung stehen: Eine Kandidatin müsste es sein, um den noch immer dürftigen Anteil von neun weiblichen Kommissaren wenigstens zu halten.
Das EU-Parlament müsste seine Anhörungen verlängern. Der Zeitplan würde durcheinander geraten. Für den CDU-Europapolitiker Elmar Brok ist das aber nicht das wichtigste Problem: "Kommissare abweisen - das ist immer eine Möglichkeit, und das hat das Parlament auch in der Vergangenheit schon getan".
Keine klare Linie im Parlament
Das EU-Parlament macht es Juncker nicht leicht. Der künftige Kommissionschef kann versuchen, das Parlament umzustimmen, nach der Devise: Bestätigt mein Team trotzdem - es ist eine Vertrauensabstimmung auch für mich.
Aber auf feste großkoalitionäre Absprachen zwischen Sozialdemokraten und Bürgerlich-Konservativen, die ihm helfen könnte, kann er nicht bauen. Die Fronten ziehen sich quer durch die Fraktionen, das haben die Anhörungen gezeigt. Am Ende entscheiden die EU-Abgeordneten mit einfacher Mehrheit über das gesamte Kommissionsteam. Dieses Votum ist verpflichtend.
Ohne ein Ja geht es nicht. Aber im neuen Parlament sind die Machtverhältnisse so zerklüftet wie nie zuvor. Das erschwert auch stabile einfache Mehrheiten für ein Team, das Fragen offen lässt. Das EU-Parlament scheint jedenfalls nicht gewillt, einen Wackelkandidaten notfalls doch zu akzeptieren, der sich erst noch um eine stabile Sitzposition bemühen muss - auch wenn ein solches Entgegenkommen Juncker helfen würde.