Friedensnobelpreis wird an die EU überreicht Die EU als "andauernder Friedenskongress"

Stand: 10.12.2012 13:35 Uhr

In Oslo wird der EU zur Stunde der Friedensnobelpreis verliehen. Stellvertretend für die 27 Mitliedsstaaten nehmen Ratspräsident van Rompuy, Kommissionspräsident Barroso und Parlamentspräsident Schulz die Auszeichnung entgegen, mit der die EU für ihre Leistung als Friedensstifter geehrt wird.

Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel, zzt. Oslo

Für EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sind alle Europäer Friedensnobelpreisträger. Doch nicht alle sind glücklich mit dem Preis: "Die EU beteiligt sich an militärischen Missionen. Insofern kann man in Teilen eher von Kriegspolitik als von Friedenspolitik sprechen", meint eine Europäerin.

Dabei hat Europa den Preis nicht für seine derzeitige Außenpolitik bekommen. In der Erklärung des Nobel-Preis-Komitees heißt es, die EU habe über sechs Jahrzehnte hinweg dazu beigetragen, Frieden und Aussöhnung, Demokratie und Menschenrechte zu fördern. "Es hat viele Konflikte, Meinungsverschiedenheiten und dramatische Ereignisse gegeben. Aber die Europäische Union war so etwas wie ein andauernder Friedenskongress", sagt Torbjörn Jagland, Vorsitzender des Nobel-Komitees.

In den 80er-Jahren seien Griechenland, Spanien und Portugal zur EU dazugestoßen. Dafür mussten sie demokratische Grundsätze umsetzen. Nach dem Fall der Mauer, so die Jury, sei die Mitgliedschaft für die osteuropäischen Staaten möglich geworden. Die Teilung Ost-West sei überwunden worden. Und alles hat 1950 angefangen - wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg - mit den Plänen des französischen Außenministers Robert Schuman.

Er schlug damals die Gemeinschaft für Kohle und Stahl vor - ein Vorläufer der EU. "Dieser Vorschlag realisiert den ersten Schritt hin zu einer europäischen Föderation, die unausweichlich ist, um den Frieden zu erhalten", so Schuman.

Ansporn in der Krise

Doch eine Auszeichnung für Erreichtes ist den drei Vertretern der EU nicht genug. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärten Ratspräsident Herman van Rompuy, Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Parlamentspräsident Schulz jetzt, dass der Preis gerade in der Krise für sie auch Ansporn sei, Europa zu erhalten. "Für uns ist der Preis auch ein Appell, unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten", sagte van Rompuy. "Nur gemeinsam kann Europa den Anforderungen in der Welt gerecht werden."

Bilder

Seit 1901 wird der Friedensnobelpreis verliehen - eine Auswahl der Preisträger

Maria Ressa und Dimitri Muratow

2021 werden die Journalistin Maria Ressa von den Philippinen und der Journalist Dmitri Muratow aus Russland mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Das norwegische Nobelkomitee zeichnete sie für ihren Einsatz für die Meinungsfreiheit aus.

Logo ICRC

Neben zahlreichen Personen wurden auch immer wieder Organisationen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) war bereits dreimal Preisträger: 1917, 1944 und 1963.

Aristide Briand und Gustav Stresemann

Als erster Deutscher erhielt Außenminister Gustav Stresemann (rechts) den Friedensnobelpreis. Zusammen mit dem französischen Außenminister Aristide Briand (links) wurde er 1926 für das Zustandekommen des Vertrags von Locarno geehrt.

Logo UNHCR

1954 und 1981 wurde das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen für seine weltweite humanitäre Hilfe ausgezeichnet.

Logo UNICEF

1965 bekam das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen den Preis zuerkannt. Die Organisation wurde im Dezember 1946 gegründet und sollte zunächst Kindern nach dem Zweiten Weltkrieg helfen.

George Bush und Michail Gorbatschow

Formell besiegelt wurde das Ende des Kalten Krieges von Gorbatschow und US-Präsident George Bush beim Gipfeltreffen im Dezember 1989 auf Malta. Für seinen Beitrag zur gewaltlosen Beendigung des Kalten Krieges ehrte das Nobelkomitee Gorbatschow ein Jahr später mit dem Friedensnobelpreis.

Rajendra Pachauri und Al Gore

Der Friedensnobelpreis von 2007 ging an Al Gore (rechts) und den UN-Klimarat (stellvertretend Rajendra Pachauri) für ihren Einsatz gegen eine drohende Klimakatastrophe.

Juan Manuel Santos

2016 erhält der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos den Friedensnobelpreis. Santos hatte nach jahrzehntelangem Konflikt ein Friedensabkommen mit den FARC-Rebellen geschlossen, das allerdings von der Bevölkerung in einem Referendum abgelehnt wurde.

ICAN-Direktorin Beatrice Fihn (r.) und die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow (m.) nahmen den Preis bei einer feierlichen Zeremonie entgegen.

ICAN-Direktorin Beatrice Fihn (r.) und die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow (m.) wurden 2017 mit den Friedensnobelpreis geehrt.

Nadia Murad und Denis Mukwege

Die Friedensnobelpreisträger des Jahres 2018 sind der kongolesischen Arzt Denis Mukwege und die UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad. Sie werden für ihren Einsatz gegen sexuelle Gewalt als Waffe in Kriegen und bewaffneten Konflikten ausgezeichnet.

Abiy Ahmed Ali erhält den Friedensnobelpreis

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed ist der Friedensnobelpreisträger des Jahres 2019. Seit seinem Amtsantritt am 2. April 2018 hat er Frieden mit dem einstigen Erzfeind Eritrea geschlossen, Tausende politische Gefangene freigelassen und verbotene Parteien wieder erlaubt.

Ein Junge trägt einen Sack mit Lebensmitteln des Welternährungsprogramms der UN

Der Friedensnobelpreis 2020 ging an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Das teilte das norwegische Nobelpreiskomitee in Oslo mit. Es begründete seine Entscheidung mit dem Kampf der UN-Organisation gegen den Hunger in der Welt. Dieser sei wichtig insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie.

Mehr oder weniger Europa?

Der Preis wirft die alte Debatte auf: Soll es mehr oder weniger Europa geben? Und wie erreichen die Mitgliedsländer ein besseres Europa? Darüber sind vor allem die Mitgliedsländer tief zerstritten. Das wirkt sich auch auf die Gästeliste aus. Etwa 20 Staats- und Regierungschefs haben sich zur Preisverleihung angekündigt, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande.

Abgesagt hat der britische Premier David Cameron. Seine Begründung: Es seien genug Politiker da, um den Preis entgegen zu nehmen.