Vor Abstimmung im EU-Parlament Orban zeigt sich kompromisslos
Ungarn droht der Entzug des Stimmrechts im EU-Rat, sollte das Europaparlament am Mittwoch für ein Strafverfahren gegen das Land stimmen. Regierungschef Orban versuchte das in Straßburg abzuwenden - mit wenig Kompromissbereitschaft.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat den umstrittenen Kurs seiner Regierung vor dem Europaparlament mit Verweis auf die wichtige Rolle des Landes für Europa verteidigt. Sein Land habe mit seiner Arbeit und - wenn nötig - mit seinem Blut zur Erfolgsgeschichte Europas beigetragen, sagte Orban in Straßburg.
Die Kritik an der Regierung in Budapest zielt auf einen Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Laut Orban werde damit jedoch nicht eine Regierung verurteilt, sondern "ein Land und ein Volk". Er nahm Bezug auf einen Bericht, der zahlreiche Verstöße gegen Grundrechte, aber auch eine weit verbreitete Korruption in Ungarn anprangert.
Applaus von den Rechtskonservativen
Der ungarische Regierungschef Viktor Orban auf dem Weg ins EU-Parlament. "Ungarn hat schwere Blutopfer gebracht für Freiheit und Demokratie."
Ungarn sei seit 1000 Jahren Mitglied der europäisch-christlichen Familie, habe sich gegen die Sowjetarmee aufgelehnt und seine Grenze für Ostdeutsche geöffnet, so der Regierungschef. "Ungarn hat schwere Blutopfer gebracht für Freiheit und Demokratie", sagte Orban in einer emotionalen Rede. "Sie wollen die Widerstandskämpfer in Ungarn verurteilen", warf er seinen Gegnern im EU-Parlament vor. Applaus bekam er von Abgeordneten seiner rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz und Vertretern der Rechtspopulisten.
Die ungarische Regierung steht seit Jahren wegen der Gestaltung des Wahlsystems, Fragen der Pressefreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz, der Misshandlung von Asylsuchenden und Flüchtlingen sowie der Beschränkung von Nichtregierungsorganisationen in der Kritik.
Ungarn könnte Stimmrechte verlieren
Am Mittwoch soll das Parlament über eine Aufforderung an den Rat abstimmen, sich mit der Einleitung ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 wegen systemischer Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte gegen Ungarn zu befassen. Dies würde auf Basis eines kritischen Berichts der Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini geschehen, in dem zahlreiche Vergehen aufgelistet werden. Das Verfahren könnte in letzter Konsequenz dazu führen, dass Ungarn im Rat die Stimmrechte entzogen werden.
"Sie haben Ihre Meinung schon gebildet", rief Orban den Abgeordneten in Straßburg zu. Eine Mehrheit werde für diesen Vorschlag stimmen. Orban sagte, die Ungarn hätten ihre eigene Meinung zu Christentum, Nation, Familie, Kultur und Einwanderung. Ungarn wolle kein Einwanderungsland werden. Daher habe es einen Zaun gebaut, um seine Grenzen zu schützen. Dadurch seien "Hunderttausende von Migranten" gestoppt worden. Es gebe aber "Einwanderungsparteien, die Lügen über Ungarn verbreiten und das Land erpressen wollen".
Weber will für Antrag stimmen
EVP-Fraktionschef Manfred Weber unterstützt den Vorstoß zur Überprüfung Ungarns.
Der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, wird einen Vorstoß für ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn unterstützen. Er persönlich werde für einen entsprechenden Antrag an den Rat der EU-Staaten stimmen, kündigte Weber an.
Einige Werte der EU seien "nicht verhandelbar", begründete Weber seinen Beschluss. Dies gelte für jedes Mitglied der EVP-Familie, zu der auch Orbans Partei Fidesz zählt. Er sei persönlich vor allem wegen des Vorgehens der ungarischen Regierung gegen Nichtregierungsorganisationen sowie gegen die Central European University in Budapest besorgt, so Weber.
Die Fraktion sei in der Frage aber gespalten, daher bleibe es jedem Abgeordneten überlassen, wie er abstimmen werde, so Weber. Vom Verhalten der EVP dürfte das Ergebnis der Abstimmung am Mittwoch wesentlich abhängen.
Auf die Frage, warum sich die EVP nicht von der Fidesz trenne, ging Weber nicht direkt ein. Der Dialog mit Ungarn solle fortgesetzt werden, sagte er. Er selbst wolle dabei ein "Brückenbauer" sein.