Abstimmung über Ungarn Ein klares EU-Signal an Orban?
Das EU-Parlament stimmt über die Vorbereitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn ab. Gegen die Resolution sind die Christdemokraten, sie wollen die Maßnahmen der Regierung Orbans gründlicher prüfen.
Einheit und Geschlossenheit ist das, was heute unbedingt demonstriert werden soll. Denn mit einer Stimme zu sprechen, wäre ein starkes Signal an Ungarns Regierung. Und so haben gleich mehrere Fraktionen eine Resolution verfasst, die es in sich hat. Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Liberale sind sich einig: Diesmal soll Viktor Orban nicht so einfach davonkommen.
Das findet auch die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel: "Wir haben jetzt mehr als sechs Jahre über unterschiedliche Gesetze in Ungarn gesprochen, die in eine falsche Richtung gehen. Es wird Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, sondern ein klares Signal setzen mit Artikel 7." Es gehe um eine konkrete Überprüfung, ob die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn bedroht ist.
Gemeint sind Orbans Reformen zur Einschränkung der Justiz und der Pressefreiheit oder gerade ganz frisch Behinderungen im Bildungssystem. Über Jahre habe man dem Treiben fast tatenlos zugeschaut, meint Sippel. Jetzt sei es genug: "Hier geht es um die systematische Einschränkung von Demokratie und deshalb ist Artikel 7 jetzt mal angesagt."
Die schwerste aller Strafmaßnahmen
Sippels resoluter Ton passt zum auserwählten Druckmittel, nicht umsonst gilt Artikel 7 der EU-Verträge in Brüssel als die "Atombombe" unter allen möglichen Strafmaßnahmen. Er sieht im Ernstfall Sanktionen bis hin zum Entzug von Stimmrechten und EU-Geldern vor. Dass er bisher noch nie angewandt wurde, liegt zum einen an der Brutalität der Maßnahme, zum anderen aber wohl auch an der Schwierigkeit seiner Aktivierung. Schließlich kann die "Nuklear-Option" nur durch einen einstimmigen Beschluss der Mitgliedsländer herbeigeführt werden.
Bis dahin sei es aber sicher noch ein weiter Weg, beschwichtigt die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek. "Das heißt noch lange nicht, dass das dann schon das Endverfahren ist, sondern das ist der Beginn davon." Aber als Orban beim Europaparlament war, habe er auf die Vorwürfe der Abgeordneten reagiert, als sei es ihm egal.
Orban zeigte sich im Europaparlament wenig beeindruckt von den Vorwürfen der Parlamentarier.
"Im Verfahren fair, in der Sache hart"
Doch nicht alle im Europa-Parlament sind ähnlich begeistert wie die vier Fraktionen, die die Resolution einbringen wollen. Einer mit Bauchschmerzen ist der CSU-Politiker Manfred Weber, Chef der größten Fraktion im EU-Parlament, der Europäischen Volkspartei (EVP): "Ich glaube, bevor Orban nicht die Möglichkeit hatte zu reagieren, und die Gespräche laufen ja zwischen der Kommission und der ungarischen Regierung, solange sollten wir nicht die härteste Waffe zücken, nämlich den Artikel 7. Das heißt, wir müssen im Verfahren fair umgehen, in der Sache aber hart sein."
Tatsächlich kämpft der EVP-Chef seit Wochen für eine gütliche Einigung in diesem Streit, schließlich ist Orbans Fidez-Partei Teil der eigenen christdemokratischen Parteienfamilie und soll es möglichst auch bleiben. Weber vermutet hinter der Resolution denn auch mehr politische Profilierungssucht als echtes Interesse an Verbesserungen.
Allerdings liebäugeln offensichtlich mittlerweile auch viele in der EVP mit der Artikel- 7-Resolution. Sie könnten heute das Zünglein an der Waage sein für eine Resolution, die selbst den sonst so unbeeindruckt auftretenden Orban noch ganz schön in Schwitzen bringen könnte.