EU-Parlament zu Urheberrecht Der Kampf ums Internet
Der Streit um das europäische Urheberrecht ist emotional: Die einen sehen sich im Kampf für entrechtete Künstler - andere fürchten den Untergang des Internets. Heute soll das EU-Parlament abstimmen.
Das Urheberecht europaweit angleichen und an das digitale Zeitalter anpassen: Das ist das erklärte Ziel des Europaparlaments. Doch wie das zu erreichen ist, darüber gibt es Streit.
"Die Reform schafft es nicht, eine vernünftige Balance zu schaffen zwischen den berechtigten Interessen der Urheber und dem der Allgemeinheit an der Nutzung ihrer Werke", sagt Tiemo Wölken von der SPD. Wenn Facebook, Twitter und YouTube wie geplant künftig selbst für Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer haftbar sein würden, dann bliebe den Plattformen nichts anderes, als sogenannte Uploadfilter zu installieren - automatische Prüfmechanismen, die sämtliche Inhalte vor ihrer Veröffentlichung auf mögliche Urheberrechtsverletzungen abklopfen.
Diese Filter, warnt Wölken, seien aber nicht nur fehleranfällig, sondern zudem nur einen Schritt entfernt von der inhaltlichen Überwachung unserer Tweets, Posts und Blog-Einträge. "Und dann sind wir nicht nur bei der Frage: Ist ein Lied geschützt oder nicht? Sondern eben auch bei der Frage: Ist eine Meinung noch genehm oder nicht?"
"Wir werden bombardiert mit Emails"
700.000 Menschen teilen diese Befürchtung und haben allein in Deutschland eine Online-Petition unterschrieben. Viele von ihnen schicken bei der Gelegenheit auch eine Protest-Mail an Axel Voss, CDU-Europaabgeordneter für die Region Mittelrhein, Jurist - und Autor des viel kritisierten Entwurfs. "Wir werden bombardiert mit Emails", sagt er. "Wo es immer um das Überleben des Internets geht und Zensurmaschinen und Uploadfilter. Davon steht überhaupt nichts im Text. Kein Mensch liest diesen Text, aber es wird behauptet, dass hier das Internet entkernt wird. Das ist völliger Quatsch."
Die Risse verlaufen unüblich, quer durch alle Fraktionen. Feste Verbündete von Voss ist Helga Trüpel, Grünen-Abgeordnete in ihrer letzten Amtsperiode. Sie gibt sich sicher: Das Gesetz würde Künstlern und Autoren dabei helfen, von ihrer Arbeit leben zu können. Für diese fiele mehr ab, wenn Facebook, Twitter und Co. sich auf das Lizenzgeschäft mit den Urhebern einlassen. Und auch die Uploadfilter wären dann überflüssig.
"Die Plattformen sind stinklangweilig, wenn man da nichts mehr sehen kann", sagt sie. "Die sind auf den Content angewiesen. Und dieses Argument, die würden jetzt aus Angst alles rausfiltern: Das werden sie nicht tun. Denn dann sind die Plattformen uninteressant, dann kriegen sie auch keine Werbung mehr. Die werden bezahlen."
Gegenentwurf überstimmt
Julia Reda will es darauf nicht ankommen lassen. Die Politikerin der Piratenpartei sitzt ebenfalls in der Grünenfraktion und im Rechtsausschuss. Dort wurden ihre Warnungen vor dem Ende von Freiheit und Vielfalt im Netz ignoriert und ihr Gegenentwurf überstimmt. Seitdem organisiert sie den Protest. Denn der Entwurf des Kollegen Voss sei kein Geschenk an prekär Beschäftigte, meint sie, sondern vielmehr an Verlagslobby und Medienkonzerne.
"Es ist sicherlich eine gute Idee, nicht auf diejenigen zu hören, die ein unmittelbares finanzielles Interesse haben", sagt sie. "Aber die unabhängigen Stimmen, die Wissenschaft, der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte sagen glasklar, dass wir es hier mit Riesenproblemen zu tun haben. Und das sind die Menschen, auf die man hören sollte. "
Der Kampf um das Netz verläuft im Futur: Beide Seiten streiten sich weniger um den Richtlinientext selbst als um dessen mögliche Folgen, sollte der Entwurf heute Mittag im Parlament angenommen werden. Wenn ja, müssen noch der Europäische Rat und die Kommission zustimmen. Falls nein, geht der Entwurf zurück in den Ausschuss und die Diskussion über "Zensurmaschinen" und den "Schutz der Urheber" in die nächste Runde.