EU-Türkei-Treffen Erdogan will immer noch in die EU
Der türkische Präsident Erdogan hat gefordert, den eingefrorenen EU-Beitrittsprozess seines Landes wiederaufzunehmen. Vor einem Gipfeltreffen mit EU-Vertretern ging er aber auch auf Konfrontationskurs.
Die Türkei strebt nach den Worten von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union an. "Der Beitritt zur EU bleibt unser strategisches Ziel", sagte Erdogan vor seiner Abreise zum EU-Türkei-Gipfel im bulgarischen Warna. Er warf aber zugleich der EU "Heuchelei" und "Doppel-Standards" gegenüber seinem Land vor.
Erdogan sagte, er werde "gewissen Kreisen nicht erlauben, die Türkei daran zu hindern, der EU als respektiertes, gleichberechtigtes und volles Mitglied beizutreten". Er hoffe, dass der Gipfel "positive Entwicklungen" in den Beziehungen erlauben werde.
Erdogan hatte 2005 die offizielle Aufnahme von Beitrittsgesprächen erreicht, doch steckt der Prozess seit langem fest. Er erwarte, "dass die politischen und künstlichen Hindernisse, mit denen unser Land während der Beitrittsverhandlungen konfrontiert wurde, aus dem Weg geräumt werden" und der Beitrittssprozess wiederbelebt werde.
Der türkische Präsident Erdogan und EU-Ratsvorsitzende Tusk wollen in Warna auch die Streitpunkte ansprechen.
Hält die EU ihre Zusagen ein?
Gleichzeitig wolle er auch die Einhaltung der EU-Versprechen zur Versorgung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei anmahnen. Er hatte kürzlich gesagt, die EU habe die dafür zugesagten drei Milliarden Euro bislang noch nicht überwiesen.
Die Türkei habe verhindert, dass die Ägäis sich in einen "Friedhof für Flüchtlinge" verwandelt habe, sagte er. "Leider hat die Europäische Union, was ihre eigenen Verpflichtungen betrifft, nicht die Ehrlichkeit und Loyalität gezeigt, die wir ihr entgegengebracht haben, und sie tut es nach wie vor nicht."
Die EU-Kommission erklärte hingegen, eine erste Finanzspritze von drei Milliarden Euro sei aufgebraucht. Da die Vereinbarung zwischen der Türkei und der EU funktioniere, werde man dem Land weitere drei Milliarden Euro zur Versorgung der Flüchtlinge bereitstellen.
Erdogan fordert energischen "Kampf gegen den Terror"
Der türkische Präsident forderte von der EU außerdem eine "bedingungslose Unterstützung" des türkischen "Kampfes gegen den Terror". Die EU-Staaten müssten energischer gegen Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgehen.
Es gebe Schritte in die Richtung, aber "sie sind weit davon entfernt, unseren Erwartungen zu entsprechen". Die Türkei erwarte von der EU eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus "ohne Wenn und Aber". Das sei Voraussetzung dafür, dass das Vertrauen auf beiden Seiten wieder aufgebaut werden könne.
Die türkische Armee war in Syrien einmarschiert, um dort die Kurdenmiliz YPG zu bekämpfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte das türkische Vorgehen gegen die Kurden in der syrischen Region Afrin scharf verurteilt. "Bei allen berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert", sagte sie. Auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz kritisierte die Militäroffensive.
Rauchsäulen steigen über Afrin auf (Archivfoto vom 15. März 2018)
Belastetes Verhältnis
Erdogan trifft am Abend mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk zu einem Arbeitsessen zusammen. Er wird begleitet von Außenminister Mevlüt Cavusoglu, Europaminister Ömer Celik und weiteren Kabinettsmitgliedern. Angesichts der Vielzahl an Streitpunkten zwischen den Partnern wird mit schwierigen Gesprächen gerechnet.
Die EU hatte der Türkei im Vorfeld "fortgesetzte illegale Handlungen" im Mittelmeer vorgeworfen, was diese als "inakzeptabel" zurückwies. Die türkische Marine hatte im Februar ein italienisches Bohrschiff an Gasbohrungen vor Zypern gehindert. Zudem rammte ein türkisches Patrouillenboot nahe einer zwischen Athen und Ankara umstrittenen Inselgruppe in der Ägäis ein Boot der griechischen Küstenwache.
Für Besorgnis sorgt in Brüssel auch die fortgesetzte Verfolgung türkischer Regierungskritiker und die Einschränkung der Bürgerrechte unter dem Ausnahmezustand, der nach dem Putschversuch vom Juli 2016 verhängt worden war.