Entscheidung in Brüssel Startschuss für Militär-Hauptquartier der EU
Die EU-Außen- und Verteidigungsminister haben den Startschuss für ein militärisches Hauptquartier der Union gegeben. Missionen sollen künftig in Brüssel gebündelt werden. Haben Brexit und Trump den Prozess beschleunigt?
Es ist noch lange nicht entschieden, ob die beiden heftigsten EU-Schockerlebnisse seit langem letztlich zu Erweckungserlebnissen werden. Denn noch ist nicht klar, welche Schäden das britische Brexit-Referendum und die Trump-Wahl in Europa hinterlassen werden. Allerdings steht bereits fest, das im Sicherheits- und Verteidigungsbereich eine Menge passiert. Nicht nur, weil die europäischen NATO-Staaten auf massiven US-Druck hin schon jetzt über eine saftige Erhöhung ihrer Wehretats diskutieren. Sondern auch, weil bei der EU rege Betriebsamkeit in Sachen Verteidigungszusammenarbeit ausgebrochen ist.
"Mein Eindruck ist, dass die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik einer jener Themenbereiche ist, der die Europäische Union wieder zusammenführen kann", sagt Michael Gahler, Verteidigungsexperte der CDU im EU-Parlament. Bei anderen Themen - zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage - habe man sich etwas auseinandergelebt.
Formen einer "Verteidigungsunion"
Ein sichtbarer Schritt bei dem Versuch, aus der Europäischen Union eine echte "Verteidigungsunion" zu formen, stellt das neue Hauptquartier für EU-Auslandsmissionen dar. Die Führungszelle in Brüssel soll noch in diesem Monat startklar sein und sich künftig um zunächst drei EU-Ausbildungseinsätze kümmern. Dabei geht es um die Missionen in Mali, in Somalia und Zentralafrika.
Bei allen dreien handelt es sich um Krisengebiete, in denen die EU durch Training die Sicherheitskräfte vor Ort zu stärken versucht. Hier soll nun Brüssel das Kommando übernehmen: "Bisher machen wir das von nationalen Hauptquartieren aus. Aber das ist etwas, was wir von hier, von Brüssel aus, tun sollten", sagt Gahler in Hindblick auf die Planung, die ebenfalls in Brüssel stattfindet.
"Keine europäische Armee in den nächsten zehn Jahren"
Doch nicht wenige halten diesen Versuch, Kräfte zu bündeln, für einen noch recht bescheidenen Anfang. Die fünf Militär-Hauptquartiere der EU-Einzelstaaten werden nämlich keineswegs eingestampft. So wird die Mittelmeer-Mission "Sophia" zur Schlepperbekämpfung etwa auch weiter von Rom aus befehligt. In Brüssel werden zunächst nur Missionen ohne Waffeneinsatz gebündelt.
Laut EU-Kommissar Günther Oettinger werde es in Europa in den nächsten zehn Jahren nicht zu einer Europäischen Armee kommen. "Aber zu einer europäischen Verteidigungs-Strategie", so der 63-Jährige.
Deutschland will "mehr Europa"
Parallel zu den Hauptquartiers-Planungen treibt die EU weitere Projekte voran. So wie eine vertiefte Zusammenarbeit mit der NATO, unter anderem bei der Abwehr von Cyber-Angriffen. Oder auch einen gemeinsamen EU-Geldtopf für europäische Rüstungsprojekte. Gerade die Deutschen gehören innerhalb der EU zu den Tempo-Machern auf dem Weg zu "mehr Europa" bei der Verteidigung.
Laut Gahler liege das nicht allein an dem neuen US-Präsidenten: "Wir haben schon vor langer Zeit angefangen, die Debatte zu führen. Dazu brauchten wir Herrn Trump nicht."
Auch die Briten blockierten in der Vergangenheit stets jeden Versuch, einer EU-Verteidigung mehr Muskeln zu verleihen. Doch seit dem Brexit-Referendum scheint die Zeit der Rücksichtnahme vorbei zu sein. Wenn auch nicht ganz: Auch um die Briten nicht zu verstören, heißt das neue Hauptquartier in Brüssel nicht offiziell Hauptquartier, sondern "Militärische Planungs- und Führungsfähigkeit". Damit will die EU dem Eindruck entgegen wirken, sie wolle die NATO kopieren.