Die EU und China China ein Traumpartner? Mitnichten!
Eine Führungsmacht beim Klimaschutz und stets am freien Handel interessiert - diesen Eindruck versucht China gerade in Europa zu vermitteln. Ein neuer Traumpartner, der einspringen kann, wenn auf die USA kein Verlass mehr ist? Wer das denkt, denkt zu kurz, meint Steffen Wurzel.
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang hat sein Land bei seinen Auftritten in Berlin und Brüssel als neuen Traum-Partner für die Europäer verkauft. Freier Handel, Globalisierung, Klimaschutz: Während US-Präsident Donald Trump davon nichts wissen will, gibt sich China in diesen Bereichen als Vorkämpfer.
Doch so einfach, wie es aussieht, ist es leider nicht.
Größter Kohleverbraucher der Welt
Erstens: Der Klimaschutz. China hat in den vergangenen Jahren tatsächlich massiv aufgeholt und in den Ausbau der Erneuerbaren investiert. Nirgendwo auf der Welt drehen sich mehr Windräder, werden mehr Solarmodule hergestellt und mehr Elektrofahrzeuge verkauft als in China. Doch immer noch ist das Land der größte CO2-Emmitent und der größte Kohleverbraucher der Welt.
Der Strom für die sanften Elektrofahrzeuge wird in China vor allem in dreckigen Kohlekraftwerken erzeugt. Energieeffizienz ist in China quasi nicht vorhanden. Und wegen des oft veralteten Stromnetzes drehen sich viele der hochmodernen Windkraftanlagen im Norden und Westen des Landes völlig nutzlos, weil der erzeugte Strom nicht abtransportiert werden kann.
Rücksichtsloser Protektionismus
Zweitens: Die Wirtschaft. Schon in wenigen Jahren wird China die größte Volkswirtschaft der Welt sein. Um dieses Ziel zu erreichen, geht das Land oft rücksichtslos vor. Der Protektionismus hat in den vergangenen Jahren noch zugenommen.
Erst Mitte der Woche hat die Europäische Handelskammer in Peking wieder einmal beklagt, dass sich viele ausländische Unternehmen in China immer häufiger ungerecht behandelt fühlen gegenüber inländischen Firmen. Und dieser Trend dürfte sich noch fortsetzen.
Finanzielle Übermacht
Mit ihrem ambitionierten "Made-in-China-2025"-Programm wird die Pekinger Führung die riesigen Staatsunternehmen mit weiteren zig Milliarden Euro subventionieren. Ausländische Firmen werden gegen solch eine finanzielle Übermacht keine Chance haben.
Chinesische Politiker beschwören in Sonntagsreden gerne die Win-Win-Situation, die sich ergebe, wenn Europäer und Chinesen eng zusammenarbeiten. Da ist viel Wahres dran, aber die Europäer müssen aufpassen, dass sich diese Win-Win-Situation nicht nur zu Gunsten einer Seite auszahlt, nach dem Motto: Win-Win ist, wenn der Chinese zweimal gewinnt.
Weitere Annäherung wichtig
Und drittens wäre noch die Frage, ob Europa statt auf die USA generell mehr auf China setzen sollte. Hier muss ganz klar gesagt werden: Es ist gut und wichtig, dass sich Europa und China weiter annähern. Beide Seiten brauchen einander.
China allerdings braucht Europa vor allem wirtschaftlich. Gesellschaftlich sind uns die Amerikaner - Trump hin oder her - immer noch viel näher als die Chinesen. Und das dürfte auch so bleiben. Freiheit, Demokratie, Mitbestimmung, Rechtsstaatlichkeit und individuelle Menschenrechte - diese stolzen Werte haben wir uns in Europa und in den USA hart erkämpft. In China gelten diese Werte ausschließlich "unter chinesischen Vorzeichen", wie die Staatsführung in Peking immer wieder euphemistisch betont.
Werte, die nicht vorhanden sind
Was nichts anderes heißt, als dass diese Werte nach unserem Verständnis in China ganz einfach nicht vorhanden sind. Und das wird sich vermutlich auch nicht so schnell ändern. Im Gegenteil. Der Druck auf alles Freiheitliche nimmt in China weiter zu. Die Pressezensur wird immer schärfer. Seit Donnerstag gilt ein neues Cyber-Gesetz, mit dem der chinesische Staat das Internet noch rücksichtsloser überwachen kann. Und der 28. Jahrestag des Pekinger Tiananmen-Massakers am kommenden Montag wird auch dieses Jahr wieder totgeschwiegen werden. Der Staat wird alle Chinesen, die daran erinnern wollen, zur Not mit Gewalt daran hindern.
Wer in China also den neuen Traumpartner für Europa entdeckt, der denkt ganz klar zu kurz.
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