Urteil des EuGH zur Mutagenese Neue Gentechnik nur unter strengen Auflagen
Pflanzen, die mit moderner Mutagenese-Technik verändert werden, gelten rechtlich als gentechnisch verändert. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden und fordert eine entsprechende Kennzeichnung.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einer Grundsatzentscheidung verhindert, dass mit neueren Gentechnikverfahren veränderte Lebensmittel ungekennzeichnet in die Supermärkte gelangen. Neuere Methoden der sogenannten gezielten Mutagenese fielen unter die geltenden EU-Regeln, erklärte das oberste EU-Gericht in Luxemburg.
Damit gelten für Lebensmittel, die derart verändert wurden, spezielle Kennzeichnungspflichten. Außerdem müssen beispielsweise Pflanzen, die mit den neuen Verfahren erzeugt wurden, vor der Zulassung auf ihre Sicherheit geprüft werden.
Aufschneiden des Saatgutes
Mutagenese ist eine Züchtungstechnik, bei der durch Strahlen, Chemikalien oder durch ein Enzym, das das Erbgut aufschneidet, die genetische Ausstattung von Pflanzen und Tieren verändert wird. Durch Mutagenese können zum Beispiel Saatgutsorten entwickelt werden, denen bestimmte Unkrautgifte nichts anhaben. Die Methode kann neben der Zucht auch eingesetzt werden zur Erforschung und zur Therapie von Krankheiten. Bei der Mutagenese wird anders als bei der Transgenese kein fremdes Erbgut in einen lebenden Organismus transferiert.
Für durch Mutagenese entstandene Organismen gilt in Europa bislang eine Ausnahme. Sie unterliegen nicht den allgemeinen Regeln für gentechnisch veränderte Organismen (GVO), die in einer EU-Richtlinie von 2001 niedergelegt sind. Diese sehen eine Umweltverträglichkeitsprüfung, Zulassung und Pflichten zur Rückverfolgbarkeit, Kennzeichnung und Überwachung der GVO vor.
Ministerien begrüßen Urteil
Das Bundesumwelt- und das Bundeslandwirtschaftsministerium haben das EuGH-Urteil in einer ersten Reaktion begrüßt. Eine Sprecherin des Umweltministeriums sagte: "Es ist eine gute Nachricht für die Umwelt, für Verbraucherinnen und Verbraucher und eine Stärkung des Vorsorgeprinzips in Europa." Der Schutz von Umwelt und Gesundheit habe auch bei neuen Gentechnik-Methoden oberste Priorität, betonte sie. Erforderlich seien Zulassungsverfahren mit einer umfassenden Risikobewertung und das Monitoring von Langzeitfolgen. Die Position, dass es keine Gentechnik durch die Hintertür geben dürfe, lasse sich mit dem Urteil umsetzen.
Das Landwirtschaftsministerium sprach von einer Klarstellung in "einem sehr bedeutenden Forschungsfeld". Ein Ministeriumssprecher hob das große Innovationspotential der neuen Technologien hervor, betonte aber zugleich: Grundsätzlich stehe der gesundheitliche Verbraucherschutz immer an erster Stelle.
Jubel von Umweltschützern - Bauern enttäuscht
Ähnlich äußerten sich auch Umweltschützer. Damit sei der Versuch der Biotech-Industrie gescheitert, unerwünschte genetisch veränderte Produkte auf den Markt zu drücken, sagte Mute Schimpf von der Organisation "Friends of the Earth".
Der Deutsche Bauernverband hatte hingegen davor gewarnt, Produkte, die mit gezielter Mutagenese erzeugt wurden, den GVO-Regeln zu unterwerfen. Es fehlten sonst wichtige Züchtungsmöglichkeiten für Pflanzen, die etwa gegen Krankheiten und Hitze widerstandsfähiger seien. Laut der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie standen viele Unternehmen bereits in den Startlöchern.
Klage aus Frankreich
Französische Umwelt- und Agrarverbände hatten die Ausnahme für Mutagenese mit Blick auf die Entwicklung seit Erlass der Richtlinie im Jahr 2001 beanstandet. Ihre Klage in Frankreich betrifft die französischen Umsetzung der EU-Richtlinie. Die französische Justiz wandte sich daher zur Klärung an den EuGH. Sie muss den Fall nun im Licht des EuGH-Urteils entscheiden.
(Az. C-528/16)