Frankreich übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft Neue Alleingänge - oder neues Fingerspitzengefühl?
Frankreich übernimmt die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union. Dann führt Staatspräsident Sarkozy die EU, in der er bislang eher für Spott und Verärgerung sorgte. Es geht um viel: Europa braucht eine Führung - aber mit Fingerspitzengefühl.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Das kleine Slowenien hat seine tapfere EU-Präsidentschaft noch gar nicht beendet, aber Nicolas Sarkozy schwingt schon das Zepter. Vom 1. Juli an führt er die EU-Ratspräsidentschaft. Doch egal, wer in den letzten anderthalb Jahren den EU-Vorsitz hatte: Der agile französische Präsident hat stets viel dafür getan, dass es so aussah, als regiere er immer schon mit.
Seine Vive-la-France-Mentalität, sein Ehrgeiz, Erfolge der anderen vor allem sich selbst zuzuschreiben, haben in Brüssel Spott, teils auch Verärgerung ausgelöst. Nun aber muss Sarkozy beweisen, was er Europa-politisch wirklich kann.
Auf Sarkozy wartet "mühsame Arbeit"
Den britischen Europa-Abgeordneten Graham Watson, Chef der liberalen Fraktion, amüsiert es ein wenig, dass Sarkozy nun die Scherben des gescheiterten Irland-Referendums aufkehren muss. Das sei eben "mühsame Arbeit", meint Watson. "Es kann sein, dass es da gar keine großen Fortschritte gibt. Aber: Sarkozy ist ein kreativer Mensch, der morgens immer mit 36 verschiedenen Ideen aufwacht. Vielleicht ist so einer in dieser Situation nützlich."
Irritation bei EU-Beitrittskandidaten
Sarkozy will in seiner EU-Präsidentschaft eigentlich mit anderen politischen Projekten glänzen. Mit Blick auf die Irland-Krise wird Fingerspitzengefühl gefragt sein – bisher keine Stärke des Franzosen. So hatte er auch auf dem Gipfel für Irritation gesorgt mit seiner klaren Aussage: "Kein neuer EU-Beitritt ohne Reform der Institutionen."
Bei den Kroaten, die 2009 beitreten möchten, auch bei den Österreichern reagierte man irritiert. Es hält sich bei anderen EU-Staaten der Argwohn, dass Sarkozy die EU mit Alleingängen überrumpeln könnte. Zum Beispiel in der internationalen Politik. Der britische Liberalen-Abgeordnete Graham Watson sieht hier aber gar nicht so schwarz. Schließlich sei die französische Diplomatie geschickt und erfahren: "Diese Diplomatie kann führen."
Kann Sarkozy moderieren?
Mit Spannung wird darauf geschaut werden, ob Sarkozy als Moderator auftreten kann. Das wird von einem EU-Vorsitz erwartet. Dabei hat Frankreich bei zwei neuralgischen Punkten des nächsten halben Jahres starke Interessen. Wenn es um die Reform der Agrarsubventionen geht und um die Lastenverteilung beim Klimaschutz. Hier muss die Präsidentschaft Streit schlichten statt ihn zu schüren.
Immerhin: Beim Ringen um Abgas-Werte bei Autos haben Frankreich und Deutschland – in dieser Frage echte Kontrahenten – einen Ausgleich gefunden, der unter französischer Präsidentschaft aber noch ausgefeilt werden muss. Mit Blick auf die ungelöste Irland-Frage sagte Sarkozy: "Die Rolle der französischen Präsidentschaft ist, die Familie der 27 zusammenzuführen." Europa kann im Moment Führung gebrauchen. Hauptsache, der EU-Chef hat sich dabei nicht nur selbst im Blick.