Belgiens EU-Ratspräsidentschaft endet Wie Europa von Belgiens Regierungskrise profitierte
Als Belgien die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, überwog die Skepsis: Denn das Land hat immer noch keine richtige Regierung - ein scheinbarer Nachteil, der für die EU zum Glücksfall wurde: Nationaler Ehrgeiz spielte bei Beamten und geschäftsführenden Ministern keine Rolle.
Von Birgit Schmeitzner, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Im Sommer frotzelten sie noch. Im Europaparlament zum Beispiel hörte man: Gut, dass sich die belgische Regierung ganz auf die EU konzentrieren kann - sie habe ja sonst nichts mehr zu tun. Und der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker, immer für einen flotten Spruch gut, ätzte bei einer Pressekonferenz in Brüssel, bei der immer wieder mal die Technik streikte: Das sei Belgien - keine Regierung, kein Mikrofon.
"Eine schöne Präsidentschaft hingelegt"
Aber letztlich wirkte sich das innenpolitische Problem Belgiens nicht negativ auf das europäische Geschäft aus, im Gegenteil. Es sei vielleicht sogar gut gewesen, sagt der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff: "Die Belgier haben eine sehr schöne, europäische Präsidentschaft hingelegt." Sie hätten sich nicht in den Vordergrund gespielt, sondern versucht, das europäische Gemeininteresse zu umzusetzen.
Dies habe auch damit zu tun, dass Belgien seit Monaten keine Regierung hat. "Diejenigen, die das europäische Geschäft betrieben haben, waren die Beamten und die noch geschäftsführenden Minister - eine Situation mit einer idealtypischen Präsidentschaft da war", so Lambsdorffs Fazit. Dies habe "ein altes, europäisches Land mit einer Regierung ohne einer zu ehrgeizigen nationalen Agenda" zur Folge gehabt.
Ein Glück, denn mit dem Reformvertrag von Lissabon verloren die rotierenden Ratspräsidentschaften ohnehin an Bedeutung. Ihre größte Aufgabe ist es, ein Scharnier zu sein, damit Kommission, Parlament und die 27 EU-Staaten zu gemeinsamen Ergebnissen kommen und der Gesetzgebungsprozess rund läuft.
Handfeste Ergebnisse
Dem belgischen Außenminister Steven Vanackere zufolge war das Ziel der Ratspräsidentschaft eine Politik, die sich nicht in Ankündigungen und großen Gesten verliert, sondern beseelt davon ist, handfeste Ergebnisse zu bekommen. Und im vergangenen halben Jahr hat sich einiges getan: Die verschärfte Finanzaufsicht kam auf den Weg, der ständige Krisenmechanismus wurde beschlossen, der neue europäische Auswärtige Dienst nahm seine Arbeit auf, die Details für das neue Instrument des Bürgerbegehrens wurden ausgehandelt. Alles in allem eine gute Präsidentschaft, hört man auch in Diplomatenkreisen.
Ein Lob von Schäuble
Auch die Bundesregierung ist zufrieden, was Finanzminister Wolfgang Schäuble im Dezember betonte, als nach jahrelangem Hin und Her die Amtshilferichtlinie verschärft wurde, ein Mittel gegen grenzüberschreitende Steuerhinterziehung: "Das zeigt übrigens, dass die belgische Präsidentschaft erfolgreich war. Das ist erstaunlich gut gegangen, man hat das für längere Zeit nicht für möglich gehalten, dass wir da vorankommen."
Der belgischen Ratspräsidentschaft war es auch darum gegangen, den Reformvertrag von Lissabon mit Leben zu füllen. Ein Vertragstext ist nun mal das eine, die Umsetzung im Detail das andere. Ein Beispiel: der ständige Ratspräsident der EU. Ein neu geschaffenes Amt, besetzt vom Belgier Herman van Rompuy. Ihn zu stützen und zu unterstützen, auch das war Vanackere zufolge ein großes Anliegen.
Seitenhieb in Richtung Budapest
Van Rompuy dankt es ihm - gewohnt zurückhaltend und mit feinem Humor. Gefragt, was er von der nun anstehenden Präsidentschaft der Ungarn erwartet, sagt er: "Die Ungarn werden es gut machen, wenn auch nicht ganz so gut wie die Belgier." Ein wenig Nationalstolz schwingt da mit. Aber wenn man sich die Bilanz der belgischen Ratspräsidentschaft ansieht, ist das durchaus angebracht.