EU kündigt Verfahren gegen Frankreich an "Der Umgang mit den Roma ist eine Schande"
Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat EU-Justizkommissarin Reding die neuesten Maßnahmen Frankreichs gegen Roma verurteilt. Sie kündigte ein Vertragsverletzungsverfahren an. Das Pariser Innenministerium hatte verfügt, "systematisch" illegale Lager zu zerstören - "zuerst die der Roma".
Von Birgit Schmeitzner, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Es hat gedauert, bis sich die EU-Kommission in den Kreis der Frankreich-Kritiker eingereiht hat. Dafür ist der Ton, den Brüssel jetzt anschlägt, um so schärfer. EU-Justizkommissarin Viviane Reding wurde deutlich: "Der Umgang der französischen Behörden mit den Roma ist eine Schande." Ihre Geduld mit Frankreich sei zu Ende, fügt sie dann noch hinzu und schlägt mit der Faust auf das Rednerpult. Die Lippen angespannt, der Blick stählern. Worte, Gesten und Mimik zeigen deutlich, wie empört die Justizkommissarin ist. Und man kann wohl behaupten: Sie fühlt sich hintergangen und vorgeführt.
Kein Verstoß gegen die Freizügigkeitsregelung
Ende August waren zwei französische Minister nach Brüssel gereist und hatten versichert, dass die Abschiebung der Roma nicht gegen die Freizügigkeitsregelung und damit nicht gegen EU-Recht verstößt. Will heißen: dass jeder Einzelfall wie vorgeschrieben geprüft wird und dass nicht gezielt gegen Angehörige einer Volksgruppe vorgegangen wird. Das beteuerten auch französische Europaabgeordnete immer wieder, etwa Veronique Mathieu von der Regierungspartei UMP.
"Frankreich respektiert voll und ganz EU-Gesetze und Richtlinien", beteuerte Mathieu. Gesetze also, die den EU-Bürgern nicht nur das Recht geben, dort zu leben wo sie wollen sondern auch eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft verbieten. Jetzt tauchte aber eine Dienstanweisung aus dem französischen Innenministerium auf, wonach unzulässige Lager, und zwar vor allem die von Roma, systematisch zerstört werden sollen.
Worten müssen jetzt auch Taten folgen
"Es ist schockierend, dass Regierungsmitglieder hier in Brüssel etwas zusagen und versichern, und ihre Verwaltung daheim in Paris das Gegenteil macht", kritisiert Reding. Gut, dass der französische Innenminister den Verweis auf Roma in der Dienstanweisung gestrichen habe - nur: Worten, so Reding weiter, müssten jetzt auch Taten folgen. Die EU-Kommission als Hüterin der Verträge habe dessen ungeachtet keine andere Wahl, als Strafverfahren gegen Frankreich einzuleiten. Die Entscheidung wird der Kommissarin zufolge innerhalb von zwei Wochen fallen. Parallel dazu hat Frankreich das Recht, sich zu rechtfertigen.
"Genug ist genug" - Justizkommissarin Reding kritisierte Frankreich ungewöhnlich energisch.
Es ist ausgesprochen selten, dass die EU-Kommission öffentlich die Politik von Mitgliedsstaaten kritisiert, noch dazu mit solch deutlichen Worten wie jetzt in diesem Fall. Das hatte viele Abgeordnete im Parlament aufgebracht. Da hieß es, die Kommission ziehe sich mit windelweichen Antworten aus der Affäre, müsse endlich in die Pötte kommen. Das Parlament selbst verabschiedete in der vergangenen Woche eine Resolution, in der Frankreich zum sofortigen Stopp der Abschiebung aufgefordert wurde.