Janos Boka

Nach Vorstoß der Niederlande Auch Ungarn will aus EU-Asylregeln aussteigen

Stand: 19.09.2024 18:09 Uhr

Ungarns rechtspopulistische Regierung wünscht sich eine Ausnahmeregelung beim EU-Asylrecht. Das kündigte Europaminister Boka an. Damit schließt sich Budapest dem jüngsten Vorstoß der Niederlande an.

Bereits gestern hatte die niederländische Regierung die EU-Kommission offiziell darüber informiert, dass sie eine Ausnahmeregelung beim EU-Asylrecht wünscht. Der ungarische Europaminister Janos Boka kündigte anschließend auf X an, dass sein Land ebenfalls einen solchen "Opt-out" anstrebe. Dieser erlaubt es EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich, sich aus bestimmten Politikbereichen herauszunehmen.

Dass die Niederlande und Ungarn mit ihrem Wunsch Erfolg haben, ist sehr unwahrscheinlich. Einer solchen Ausnahmeregel müssten alle 27 EU-Staaten zustimmen, von denen die meisten gegen eine solche Änderung der EU-Verträge sind. Außerdem haben sich die EU-Länder bereits auf eine umfangreiche Asylreform geeinigt und müssen diese nun bis Mitte 2026 umsetzen.

EU: Asylvorschriften bleiben für Niederlande verbindlich

Dieser Plan bleibe von einzelnen Wünschen nach einer Sonderbehandlung unberührt, sagte Kommissionsprecherin Anitta Hipper: "Zunächst einmal haben wir den Brief zur Kenntnis genommen - und auch, dass die niederländische Migrationsministerin darin anerkennt, dass ein solcher Opt-out nur durch die Änderungen der EU-Verträge möglich ist." Die EU erwarte keine Änderungen der Vorschriften zu Asyl und Migration - und die aktuellen würden für die Niederlande verbindlich bleiben, so Hipper.

Das weiß auch die Regierung in Den Haag. So lange es für die Niederlande keine solche "Opt-out"-Möglichkeit gebe, erachte man die rasche Umsetzung des EU-Asylpakts als unabdingbar, um den Zustrom von Migranten begrenzen zu können, heißt es in dem nur wenige Zeilen langen Schreiben an die EU-Kommission.

Der Rechtspopulist Geert Wilders will nach seinem Wahlsieg offensichtlich demonstrieren, dass er es ernst meint mit der versprochenen Verschärfung der Asyl- und Integrationspolitik. So schrieb die neue Regierung in ihrem Koalitionsvertrag fest, dass abgelehnte Antragsteller de facto keinerlei Unterstützung mehr bekommen. Sie hatte angekündigt, sich bei der EU-Kommission für eine Ausnahmeklausel einzusetzen, um die Asylregeln zu ignorieren.

"Nicht mehr als Symbolpolitik"

Mit dem Brief wolle man vor allem an die eigene Bevölkerung eine Botschaft senden, meint die innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Lena Düpont: "Also die Bitte, doch eine Vertragsänderung zu prüfen, in dem Wissen, dass man das nicht bekommen wird - und gleichzeitig aber zu sagen, wenn wir das nicht bekommen, dann setzen wir uns für eine beschleunigte Umsetzung des Paktes ein, ist in der Tat nicht mehr als Symbolpolitik."

Diese Symbolpolitik könnte allerdings dazu beitragen, dass die EU insgesamt ihre Migrations- und Asylregeln verschärft, fürchtet die niederländische EU-Abgeordnete Raquel García Hermida-Van der Walle. Dass die seit Juli amtierende Regierung davon spricht, eine nationale Asylkrise auszurufen, um ohne Zustimmung des Parlaments Teile des Asylgesetzes außer Kraft zu setzen, sei kein Zufall, ist die linksliberale Europapolitikerin überzeugt.

Europapolitikerin befürchtet Dominoeffekt

Es sei ein fatales Signal für die gesamte EU, wenn beispielsweise gerade in Deutschland darüber debattiert werde, sich nicht mehr an die Regeln zu halten. "Ich fürchte, dass es einen Dominoeffekt in anderen EU-Ländern geben wird", sagte Hermida-Van der Walle. "Schauen wir nur auf die Niederlande, wo eine sehr migrationsfeindliche Regierung, die Gelegenheit sofort nutzt, weil man sagt: Wenn Deutschland das tun kann, warum wir nicht auch."

Es ist nicht überraschend, dass auch die Führung in Budapest, die bisher jede Zusammenarbeit in der EU-Asyl- und Migrationspolitik verweigert, nun die Chance für weitere Störmanöver nutzt. Die ungarische Regierung liegt - auch wegen ihrer restriktiven Flüchtlingspolitik - seit Jahren im Streit mit der EU-Kommission.

Migranten wird es de facto unmöglich gemacht, in Ungarn einen Asylantrag zu stellen. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof ein Zwangsgeld von 200 Millionen Euro gegen das Land verhängt. Dazu kommt eine Million Euro für jeden Tag, den Ungarn die EU-Migrationsregeln nicht befolgt. Ministerpräsident Viktor Orban verkündet, dass sein Land auf keinen Fall zahle, sondern illegale Migranten per Bus direkt nach Brüssel schicken werde.