Politischer Druck auf Medien Was die BBC vor Johnson schützt
Der britische Premier Johnson würde die BBC in ihrer jetzigen Form am liebsten abschaffen. Davor ist der Sender geschützt. Dennoch kann die Regierung der BBC das Leben schwer machen.
Der Tweet der britischen Kulturministerin Nadine Dorries rief große Aufregung hervor: "Diese Ankündigung zum Rundfunkbeitrag wird die letzte sein", schrieb sie Mitte Januar - was bedeutet hätte, dass es diese Finanzierungsform der öffentlich-rechtlichen BBC nach 2027 nicht mehr geben würde.
Wiederholt hat Dorries diese Aussage so nicht mehr - und das wohl aus gutem Grund. Denn mit diesem Vorgehen hat sie klar ihre Kompetenzen überschritten, sagt die Medienhistorikerin und BBC-Expertin Jean Seaton von der Westminister University: "Sie hatte kein Recht, das zu tun - das war ein schamloser Versuch, von den Problemen des Premiers abzulenken. Sie kann das nicht tun, und sie ist dafür offiziell vom Sprecher des Unterhauses gerügt worden. Sie kann eine Diskussion ankündigen, aber sie kann die nicht alleine führen."
Einfluss auf Finanzierung und Aufsichtsrat
Über den Rundfunkbeitrag entscheidet das britische Parlament. Zunächst verhandeln die BBC und die Regierung, dann wird das Ergebnis den Abgeordneten vorgelegt. Anders als in Deutschland gibt es in Großbritannien keine Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), keine unabhängige Expertenkommission, die den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten prüft, bevor die Länderparlamente darüber abstimmen. An diesem Punkt ist der Einfluss der Politik in Großbritannien unmittelbarer. Weitere Einflussmöglichkeiten bestehen über den BBC Board, eine Art Aufsichtsrat des Senders: "Die Regierung hat das Recht, einige Mitglieder des Boards zu benennen. Darüber wird immer sehr intensiv mit der BBC verhandelt", erklärt Seaton.
Daneben kann die Regierung auch dadurch Macht ausüben, dass sie die BBC ignoriert. Das hat die Rundfunkanstalt mit der Johnson-Regierung schon erlebt: Bei der Radiosendung "BBC4Today", einem politischen Morgenmagazin, das harte Interviews führt, traten im Herbst 2019 kaum noch Kabinettsmitglieder auf. Medienberichten zufolge war ihnen mehr oder minder untersagt worden, mit der Sendung zu sprechen - sie war 10 Downing Street offenkundig nicht regierungsfreundlich genug. Einfluss auf Inhalte kann die Politik aber nicht nehmen.
Die Royal Charter: britischer Medienstaatsvertrag
Die BBC arbeitet auf Basis der Royal Charter, die mit dem deutschen Medienstaatsvertrag vergleichbar ist. Seit den 1960er-Jahren wird die Royal Charter im Elf-Jahres-Rhythmus erneuert, um sie damit noch stärker vom Wahlzyklus der Politik zu trennen. Die Regelung beabsichtige, die Lizenzierung der BBC oberhalb der Regierung anzusiedeln, erklärt Seaton: "Sie wird vom Staatsoberhaupt verliehen. Gleich zu Beginn war die Idee, dass die Charter der BBC eine verfassungsrechtliche Unabhängigkeit von der amtierenden Regierung gibt."
Dass eine Regierung wie die von Premier Boris Johnson der BBC trotzdem stark zusetzen kann, zeigt sich gerade. Es gilt als sicher, dass die BBC schrumpfen wird. Den Rundfunkbeitrag von derzeit 159 Pfund im Jahr müssen alle Haushalte zahlen, die einen Fernseher haben und alle Briten, die für Livestreams und Mediathekangebote den iPlayer nutzen wollen.
Umstieg der BBC auf ein Abo-Modell?
Wenn es um mögliche Alternativen der Finanzierung geht, wird häufig über ein Abo-Modell gesprochen, wie man es zum Beispiel von Netflix kennt. Joey Jones, der zu Zeiten von Premierministerin Theresa May Berater des Medienausschusses war, hat die Idee lange Zeit für gut befunden. Er habe sich gewundert, warum die BBC nicht mutig und selbstbewusst genug sei, um auf ein Abo-Modell umzustellen, sagte er in einem Interview.
Inzwischen hat er seine Meinung geändert: "Was ich gelernt habe, ist, dass wir nicht die Infrastruktur dafür haben. Einer der wichtigsten Grundsätze der BBC muss die Universalität sein - und wenn man auf ein Abo-Modell setzt, würde man Menschen am Rande der Gesellschaft von BBC-Inhalten abschneiden: Menschen, die weit draußen wohnen oder nicht das Geld oder die Neigung haben, sich schnelles Internet zuzulegen." Das sei schließlich "das Letzte, das irgendjemand will".
Wie es nach 2027 tatsächlich weitergeht, wenn die neue Royal Charter in Kraft tritt, ist noch völlig offen. Das müssen Regierung und BBC nun aushandeln.