Prozessbeginn Belarusische Journalisten vor Gericht
Sie berichteten über Demonstrationen, jetzt stehen sie vor Gericht: Journalisten wird in Belarus unter anderem die "Anstachelung zum Hass" vorgeworfen. Ihre Nachrichtenseite war einst das beliebteste Online-Medium im Land.
In Belarus sind fünf Journalistinnen und Journalisten der inzwischen verbotenen Online-Nachrichtenseite tut.by vor Gericht gestellt worden. Chefredakteurin Maryna Solatawa und Generaldirektorin Ljudmila Tschekina werden in dem am Montag begonnen Prozess, "Verletzung der nationalen Sicherheit", "Anstachelung zum Hass" und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Gegen drei weitere Journalisten wurde in Abwesenheit verhandelt, weil sie ins Ausland geflohen sind. Das Gerichtsverfahren findet in der Hauptstadt Minsk hinter verschlossenen Türen statt. Westliche Diplomaten und unabhängige Journalisten waren nicht zugelassen.
Ein von Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja veröffentlichtes Foto zeigte Solatawa und Tschekina, die vor Gericht in einem Käfig für Angeklagte saßen. "Wir müssen alle Journalisten unterstützen, die für die Wahrheit kämpfen!", schrieb Tichanowskaja auf Twitter dazu.
Tut.by berichtete ausführlich über Demonstrationen
Der belarusische Geheimdienst hat Solatawa und drei ihrer Kollegen auf eine Liste mit Terrorverdächtigen gesetzt. Tut.by hatte ausführlich über die Demonstrationen nach der weithin als Fälschung gewerteten Wiederwahl von Präsident Alexander Lukaschenko im August 2020 berichtet. Sicherheitskräfte gingen hart gegen die Proteste vor. Mehr als 35.000 Menschen wurden festgenommen, Tausende von der Polizei zusammengeschlagen, Dutzende Medien und Nichtregierungsorganisationen verboten. Nach Angaben des belarusischen Journalistenverbandes sitzen derzeit 32 Journalisten hinter Gittern.
Tut.by stieg zum beliebtesten Online-Medium in Belarus auf und hatte mehr als 3,3 Millionen Nutzer, bevor es 2021 verboten wurde. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter flohen ins Ausland und organisierten eine neue Nachrichtenseite namens Zerkalo.io, die in Belarus blockiert wird. Dort wurde der Prozess jetzt als Ausdruck der Furcht der Regierung vor Journalisten und echten Nachrichten gewertet. "Belarus eilt auf dem Weg in die alternative Wirklichkeit voran, in der echte Nachrichten als böse gelten", schrieb Zerkalo.io.
In der vergangenen Woche hatte in Minsk bereits ein Prozess gegen den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki begonnen. Dem Mitgründer der Menschenrechtsorganisation Wjasna und mehreren Mitstreitern drohen zwischen sieben und zwölf Jahre Haft. Zeitnah wird auch Oppositionsführerin Tichanowskaja in Abwesenheit der Prozess gemacht. Der im Exil lebenden Politikerin werden Hochverrat, Verschwörung zum Sturz der Regierung und Bildung einer extremistischen Organisation vorgeworfenen.