Nach Rücktritt von Borne Gelingt Macron der Neustart?
Sie müsse zurücktreten - so hat Frankreichs Premierministerin Borne ihre Demission umschrieben. Präsident Macron erzwingt also einen Neustart, doch ob ihm der gelingen kann, bezweifeln politische Beobachter.
Es war eine denkbar lapidare Art, auf die Präsident Emmanuel Macron den Rücktritt seiner Regierungschefin ankündigte - mit einem Post auf X, dem ehemaligen Twitter. Ein Bild, auf dem beide mit verschränkten Armen dastehen, sich aber freundlich anlachen. Darunter ein herzlicher Dank in ein paar wenigen Zeilen.
Egal, wer jetzt kommt - sie erwarte keine großen Veränderungen, sagte die Fraktionschefin der oppositionellen Les Écologistes, Cyrielle Chatelain, im Radiosender franceinfo: "Je nachdem, was ich höre, wird der Präsident sich auf seine engsten Vertrauten stützen. Er sucht gewissermaßen eine Kontinuität seiner selbst", sagte Chatelain.
Frankreich werde die gleiche Politik haben, und das noch über Monate. "Was wir brauchen, ist ein Premierminister, der seine politische Existenz nicht dem Präsidenten verdankt und der starke Akzente setzen kann. Ich sehe nicht, wie das unter Emmanuel Macron möglich ist."
"Eindruck des Stillstands"
Tatsächlich scheint es, als sei Élisabeth Borne nicht freiwillig gegangen. "Jetzt, wo ich und meine Regierung zurücktreten müssen, möchte ich Ihnen sagen, mit wie viel Leidenschaft ich diese Aufgabe erfüllt habe", schrieb sie in ihrem Entlassungsgesuch. Sie, die von Beginn an immer betont hatte, der Nation dienen zu wollen.
Politisch gedient hat sie vor allem dem Präsidenten, boxte alles Unangenehme für ihn durch. Trotzdem sei der Eindruck des Stillstands am Ende zu groß gewesen, glaubt Politikwissenschaftler Bruno Cautrès: "Macron hat das Problem, dass er den Menschen eine Art Neustart versprochen hat, neues Tempo für seine zweite Amtszeit", so Cautrès.
Gleichzeitig habe Macron die Regierungsmannschaft bisher immer größtenteils behalten. "Wenn Macron also wirklich den Eindruck erzeugen will, dass er seine Politik grundlegend neu ausrichten möchte, klarere Ziele definieren, dann auch durch einen neuen Premierminister."
Regieren auf die harte Tour
Für Macron und die Regierung war es ein politisch hartes Jahr. Erst die unbeliebte Rentenreform, zuletzt die Hängepartie um das Einwanderungsgesetz. "Madame 49.3" so haben viele Borne genannt. Sie musste in ihrer Zeit als Regierungschefin ganze 23 Mal auf den umstrittenen Artikel 49.3 der Verfassung zurückgreifen. Der erlaubt es unter bestimmten Voraussetzungen, Gesetze auch ohne Abstimmung durchs Parlament zu bringen.
"Vielleicht kann ein neuer Regierungschef versuchen, anders Kompromisse auszuhandeln, mit den unterschiedlichen politischen Fraktionen im Parlament anders umzugehen, um für mehr Stabilität zu sorgen. Nichts wäre schlimmer, als wenn er jetzt Borne austauscht. Und in ein paar Monaten wird wieder nur über Artikel 49.3 regiert und es gibt keine stabilen Mehrheiten."
Das Problem: die fehlende Mehrheit
Der Name, der als potenzieller neuer Regierungschef am häufigsten fällt, ist der von Bildungsminister Gabriel Attal, 34 Jahre alt und mit Erfahrung auf unterschiedlichen Regierungsposten. Doch das grundlegende Problem bleibt: Egal, wer es wird - es fehlt die absolute Mehrheit im Parlament, ohne die politische Projekte nur schwer umzusetzen sind.
Der Erfolg von Macrons restlicher Amtszeit hängt davon ab, ob der oder die neue Premier diese Mehrheiten organisieren kann.
15. Mai 2017 bis 03. Juli 2020: Édouard Philippe
03. Juli 2020 bis 16. Mai 2022: Jean Castex
16. Mai 2022 bis 08. Januar 2024: Élisabeth Borne
Seit 9. Januar 2024: Gabriel Attal