Kampf gegen Kindesmissbrauch "Chatkontrolle"-Verhandlungen in EU gescheitert
Mit der sogenannten Chatkontrolle wollen EU-Staaten die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern eindämmen. Die Verhandlungen dazu sind vorerst gescheitert. Grund ist offenbar auch der Widerstand Deutschlands.
Die Verhandlungen zwischen den EU-Staaten über die umstrittene sogenannte Chatkontrolle sind unter anderem wegen deutscher Bedenken vorerst gescheitert. Es habe sich abgezeichnet, dass keine ausreichende Mehrheit erreicht werden würde, hieß es von der belgischen Ratspräsidentschaft. Der Vorsitz beschloss daher, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen.
Massenhafte Durchsuchung von Kommunikation
Grundlage für die Pläne ist ein Vorschlag der EU-Kommission, wonach Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können, ihre verschlüsselten, privaten Kommunikationskanäle mithilfe von Software nach Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu durchsuchen. Dadurch soll die Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern eingedämmt werden.
Dieser Vorschlag war bereits mit Kompromissvorschlägen angepasst worden. Für Kritiker geht dieser allerdings in eine falsche Richtung: Sie sprachen immer wieder von einer "Chatkontrolle" und fürchten Massenüberwachung. Auch unter Kinderschützern sind die Pläne umstritten: Der Deutsche Kinderschutzbund sagte in der Vergangenheit der Nachrichtenagentur dpa, er halte die Pläne für "unverhältnismäßig und nicht zielführend". Verschlüsselte Kommunikation spiele bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen kaum eine Rolle, hieß es.
Zuletzt hatte es in Brüssel so ausgesehen, als sei zumindest eine vorläufige Einigung auf die Chatkontrolle möglich, deshalb war für Donnerstag eine Abstimmung der Ständigen Vertreter der Mitgliedsländer geplant. Hintergrund waren Zugeständnisse an Frankreich, das den EU-Beschluss zusammen mit Deutschland und anderen Ländern bisher verhindert hatte. Kurzfristig hieß es dann aber, die nötige Mehrheit sei doch nicht in Sicht.
Ablehnung der Bundesregierung verhindert Abstimmung
Vom Tisch ist das Thema nicht: Für die Mitgliedsländer bleibe es Priorität, Kinder vor "widerwärtigen Verbrechen" zu schützen, hieß es von Belgien, das bis Ende des Monats die Ministerräte leitet. Das Dossier dürfte nun bei Ungarn landen, das am 1. Juli den rotierenden EU-Ratsvorsitz übernimmt.
Ungarn könnte dann erneut versuchen, eine Einigung zwischen den EU-Staaten zu erzielen. Über den endgültigen Gesetzestext müssten die Länder dann noch mit Parlament und Kommission verhandeln, bevor die neuen Regeln in Kraft treten könnten.
Dass die für heute geplante Abstimmung abgesetzt wurde, wertete Bundesjustizminister Marco Buschmann als Erfolg der Bemühungen der Bundesregierung. Der FDP-Politiker sagte, er freue sich, "dass meine rechtsstaatlichen Bedenken auf fruchtbaren Boden gefallen sind".
Es sei gut, dass die Bundesregierung in dieser Frage mit einer Stimme spreche und sich gemeinsam gegen ein anlassloses und massenhaftes Scannen - selbst verschlüsselter - privater Kommunikation und von Daten in der Cloud positioniere.
Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, man gehe davon aus, dass die Abstimmung aufgrund des deutschen Widerstands abgesagt worden sei. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte am Mittwoch erklärt, Deutschland werde gegen den Vorschlag der Kommission in seiner jetzigen Form stimmen.
Offener Brief gegen Vorhaben
Datenschützer sehen hinter den Gesetzesplänen einen Generalverdacht gegen Bürger. Erst im März hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber an die Bundesregierung appelliert, die EU-Pläne zu verhindern. Ein "flächendeckendes und anlassloses Auslesen privater Kommunikation" müsse verboten werden, forderte Kelber.
Auch 36 Politikerinnen und Politiker aus Europa hatten noch Anfang der Woche in einem offenen Brief an die EU-Mitgliedstaaten appelliert, gegen die Pläne zu stimmen.
Man sei davon überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen mit den europäischen Grundrechten unvereinbar seien, hieß es in dem Papier. Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören unter anderem die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sowie Konstantin von Notz von den Grünen.