Kindesmissbrauch im Internet EU-Innenausschuss gegen "Chatkontrollen"
In der Debatte über ein Gesetz gegen Kindesmissbrauch im Internet hat der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments gegen die Überwachung verschlüsselter Chats gestimmt. Er will "Chatkontrollen" nur bei konkretem Verdacht erlauben.
Der Innenausschuss des EU-Parlaments hat seine Position zum umstrittenen EU-Gesetzentwurf zur sogenannten "Chatkontrolle" festgelegt. Eine große Mehrheit der Abgeordneten stimmte für einen Gegenentwurf, in dem eine ursprünglich von der EU-Kommission vorgesehene anlasslose Überwachung privater Kommunikation gestrichen wurde.
Internetanbieter sollen nach dem Willen der Abgeordneten verpflichtet werden, ihre Dienste sicherer zu gestalten, um sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen von vornherein zu verhindern. Verschlüsselte Kommunikation soll hingegen geschützt bleiben.
EU-Kommission für "Chatkontrollen"
Die EU-Kommission hatte vergangenes Jahr einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, um die Verbreitung von Darstellungen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, einzudämmen. Der Vorschlag sah vor, dass Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können, ihre Dienste mithilfe von Software nach entsprechenden Darstellungen zu durchsuchen.
Kritiker nutzen dafür das Schlagwort "Chatkontrolle". Sie sehen darin einen Versuch, die gesamte Kommunikation im Netz inklusive verschlüsselter Nachrichten zu scannen und fürchten Massenüberwachung.
EU-Staaten noch ohne gemeinsame Linie
Die Abgeordneten wollen den Vorschlag nun in einigen Bereichen entschärfen, zum Beispiel soll die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Chats nicht geknackt werden dürfen.
Sofern nächste Woche in der Plenarsitzung in Straßburg keine Einwände erhoben werden, muss darüber nicht mehr abgestimmt werden und die Verhandlungen mit den EU-Staaten könnten beginnen. Die haben allerdings noch keine gemeinsame Position gefunden, auch wegen Bedenken von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
Kein "Blankoscheck für die Massenüberwachung"
Die innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe, Lena Düpont, erklärte nach der Sitzung der Abgeordneten in Brüssel, die Position des Parlaments stelle den "äußerst umstrittenen Entwurf der EU-Kommission im wahrsten Sinne vom Kopf auf die Füße".
Ähnlich äußerte sich die Linken-Abgeordnete Cornelia Ernst. Nach ihren Worten wäre der ursprüngliche Vorschlag ein "Blankoscheck für die Massenüberwachung" gewesen. Düpont betonte, man habe eine "angemessene Balance gefunden, um den Schutz von Kindern zu stärken und dringend notwendige präventive Maßnahmen systematisch und zielgerichtet zu etablieren".
Birgit Sippel (SPD), innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im EU-Parlament, erklärte: "Dass wir Kinder vor Missbrauch im Internet schützen müssen, steht außer Frage. Doch das darf nicht zu Lasten der Grundrechte aller und insbesondere des Rechts auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation geschehen."
Statt wie im Kommissionsvorschlag mit ständiger Überwachung auf schon erfolgten Missbrauch zu reagieren, enthalte der Parlamentsentwurf einen stärkeren Fokus auf präventive Maßnahmen. Der FDP-Abgeordnete Moritz Körner sprach von einem Etappensieg gegen die "Chatkontrolle". In den anstehenden Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten werde die Wahrung der Grundrechte weiter zu verteidigen sein.